Der große Integrationsschwindel
Moment#9 ist am 20. Oktober 2007 erschienen und steht unter dem Titel "Der große Integrationsschwindel".
Liebe Leserin, lieber Leser! Die Ereignisse der vergangenen Wochen haben der Debatte über die „Integration“ eine neue Hochkonjunktur beschert. Nur selten verbergen sich hinter ein und demselben Begriff derart unterschiedliche Vorstellungen. Grund genug, sich einen MOMENT lang mit den Konzepten zu beschäftigen, die sich hinter diesem so großen Wort verbergen.
Bei Integrationsforscher Bernhard Perchinig fragen wir nach, welche Gesellschaftsbilder sich in gängigen Integrations-Modellen verbergen. Wir wollen aber nicht verhehlen, dass wir einen eigenen Standpunkt vertreten. Mit Robert Misik meinen wir, dass schon in der Identitätsfalle steckt, wer nicht über ein „Wir“ (z.B. die InländerInnen) und ein „Sie“ (die ZuwanderInnen, die MuslimInnen) hinauskommt. Letztlich geht es darum, die Kulturalisierung gesellschaftlicher Konflikte zu bekämpfen, denn sie entziehen gesellschaftliche Interessensgegensätze der demokratischen Verhandelbarkeit.
Wenn es über ganze Bevölkerungsgruppen heißt, dass die „einfach so sind“, na dann wird man halt auch nichts machen können. Tatsächlich stellt sich die Notwendigkeit, dem einen politischen Ansatz entgegenzusetzen, der gesellschaftliche Defizite benennt und konkrete Gegenentwürfe bietet: Margit Appel fordert ein bedingungsloses Grundeinkommen, Philipp Sonderegger argumentiert für eine Residenzbürgerschaft und die Gemeinde Papneukirchen kämpft wie viele andere für ein Bleiberecht für Flüchtlingsfamilien. Drei gesellschaftliche Projekte, die Grundlage dafür sein könnten, die realen Interessensgegensätze dorthin zu verschieben, wo sie hingehören. An den Verhandlungstisch.
Wie gewohnt finden Sie in MOMENT interessante Reportagen und neue Perspektiven. Elvier Kühlraum hat recherchiert, wie die ÖVP nahezu unbemerkt die Deutungshoheit über den Integrationsdiskurs kapert, Baruch Wolski besuchte das einzige Islamische Gymnasium Europas. Und Barbara Stöckl wundert sich, warum Menschenrechte in allen anderen Ländern verletzt werden, nur nicht in Österreich. Sie halten ein mit viel Verve überarbeitetes MOMENT in Händen. Ich bedanke mich bei allen, die sich beim Relaunch tatkräftig eingebracht haben. Auf Ihre Reaktionen sind wir schon sehr gespannt.
Spannende Momente wünscht
Gunnar Landsgesell