Deep, Down and Dirty?
Islamische Kulturzentren in Wien – eine Bestandsaufnahme in dunklen Kellerlokalen zwischen Terrorverdächtigungen, Shisha- Rauch und Kopftuchpflicht. Eine Kooperation mit Derstandard.at Text: Maria Sterkl, Berthold Eder und Rainer Schüller, Bilder: Paul Sturm
El Kaida in Wien“ titelten die Zeitungen nach der Verhaftung von „Terrorverdächtigen“. Der Innenminister meinte zwar, es gäbe keine Gefahr, trotzdem wurde das Land von Politik und Medien als „terrorisiert“ und der Islam als „artfremd“ und generell verdächtig dargestellt. Die Regierung hat sich im Zuge der Aufregung an ihren Arbeitsauftrag erinnert, und ein Integrationsprogramm angekündigt, „damit die Menschen nicht in den Untergrund und in die Hinterzimmer getrieben werden“.
Viele islamische Kulturvereine befinden sich jedoch jetzt schon in Kellerlokalen mit dunklen Hinterzimmern. Lauert hier die Terrorgefahr? Moment hat sich gemeinsam mit derStandard.at hinunter und hinein gewagt.
1. „Al Badyeh“
Verein zur Förderung der Arabischen Musik und Kultur, 6. Bezirk. Al Djazeera am Großbildschirm! Gleich beim Eingang ein Hinweis auf eine Terrorzelle? Über den Screen flimmert jedoch nicht das aktuelle Bin Laden-Video, sondern Frauenfußball: Ghanesinnen gegen Australierinnen. Im Lokal sitzen unter den mehrheitlichen Männern auch viele junge Mädchen. Sie rauchen Shisha und trinken Fanta dazu. Komatrink-Gelegenheit gibt es auf Grund des Alkoholverbots nicht. Per Pfeifenaustausch wird angebandelt. Die Tabak-Geschmäcker reichen von Kirsche über Cappuccino bis Zuckermelone - zwei bis drei Euro das Stück. Paris Hilton ist auch da, zumindest sieht sie so aus.
„Wir werden Österreich säubern“, verlautbart Monther Abdel Hadi Ahmad Al Khaldi - kurz „Ali“ - der 33-jährige Vereinsobmann, der „aus Palästina“ kommt und seit zwei Jahren die österreichische Staatsbürgerschaft hat. Er denkt dabei aber nicht an Islamisierung, sondern an alte Autos. Bei der Verschiffung von schrottreifen Ösi-Karren in den Nahen Osten wittert der Ex-Taxler die große Kohle. Ziel des Vereins „Al Badyeh“, zu Deutsch „Wüste“: Die Erklärung der arabischen Kultur über Musik.
Im Ramadan gibt es Gratis-Abendessen für Mitglieder. Diese kommen aus Jordanien, Indonesien, Ägypten, dem Libanon, rund 20 Österreicher sind auch dabei. Ali ist mit einer Wienerin verheiratet. In Österreich wurde er als Anhänger des Islam noch nicht als „Terrorist“ bezeichnet, sein Bruder in England schon. Auch nach den Verhaftungen in Wien glaubt er nicht, dass es hier eine wirkliche Terrorszene gibt.
Von den aktuellen Rauchverbots-Plänen der Gesundheitsministerin hält Ali genau nichts und macht mit seiner 15 Jahre alten handgefertigten „Privat-Shisha“ einen tiefen Menthol-Lungenzug.
2. Afghanischer Kulturverein
„Maulana“, 3. Bezirk. Auf dem Tisch liegt die U-Bahn-Zeitung mit der Schlagzeile „Wiener El Kaida – Vierte Festnahme“, daneben ein abgegriffener Langenscheidt Persisch- Deutsch – gesprochen wird Dari, das dem im Iran gesprochenen Farsi ähnelt. Der Fernseher zeigt ein Konzert des usbekischen Popstars Manija Dawlatova, live in Mazar-e-Sharif. „Terrorismus? Ja, es gibt viele Attentäter in Afghanistan, jeden Tag sprengt sich jemand in die Luft.
Ich weiß nicht, warum die in mein Land kommen und Probleme machen“, sagt Bakavoli Mohammadi Hossein. Vor sieben Jahren kam er aus dem Iran nach Europa. In Dänemark landete er in einem winzigen Dorf: „Auf der Straße nur alte Frauen mit Hunden, und niemand hat gegrüßt.
“ Anders war das in Neulengbach in Niederösterreich: „Österreich ist besser als viele Länder in Europa. Die Leute reden mit dir.“ Den Club „Maulana“ (ein sufistischer Dichter) habe er vor drei Monaten gegründet, um Landsleuten bei Alltagsproblemen zur Seite zu stehen. Der Verein bietet Hilfe bei Wohnungs- und Jobsuche, jeden Samstag kann man sich zum Diskontpreis die Haare schneiden lassen, Kung-Fu-Kurse sollen folgen. Neu sind die zwei Billardtische.
Ein Spiel kostet tagsüber einen Euro, abends wird es teurer. Besonders beliebt ist auch das afghanische Kartenspiel Fiskot. Dazu gibt es vier Sorten Bier (auch alkoholfreies) ab 1,50 Euro, Cola, Fanta und mehr. Die Vereinsgäste bevorzugen Österreichisches: Red Bull ist der Mega-Seller im Keller. Frauen seien in Afghanistan nächtens kaum in Lokalen anzutreffen, hier im Verein hingegen schon: „Wir sind da offener.“
3. Union Islamischer Kulturzentren
in Österreich, 2. Bezirk. Vorbeter Önder Hayta arbeitet im Zivilberuf als Tischler. Was er für seine religiöse Tätigkeit wissen muss, habe er hier im Verein gelernt: „Koranschulen wie in der Türkei gibt es in Österreich nicht.“ Im Ramadan werden nach der Andacht die Gebetsbänke beiseite geräumt und Tische für das gemeinsame Mahl aufgestellt. Die Kosten dafür übernehmen SpenderInnen, die dafür auf der Anschlagtafel des Vereins erwähnt werden.
Murat Arslan, hauptberuflich Billa-Angestellter, ist Vize-Obmann und Jugendbeauftragter. Den Verein gibt es hier seit 1993. Es herrscht Alkohol- und Rauchverbot. Die BesucherInnen sind mehrheitlich aus der Türkei. „I könnt’ heut’ gar nimmer in der Türkei leb’n“, meint Arslan, der schon mit fünf Jahren nach Österreich gekommen ist, im Wiener Dialekt. Beschwerden von AnrainerInnen wie in der Dammstraße im 20. Bezirk habe es hier nie gegeben, versichert Arslan.
Was die Moschee-Besucher
von
„Terror”-Schlagzeilen über „radikale
Moslems” halten? Terror habe nichts mit
dem Islam zu tun, ist die einstimmige
Antwort.
Ganz im Gegenteil: Einmal im Jahr veranstalte man ein Straßenfest, das auch bei Österreichern sehr beliebt sei. Stammgast im Gebetshaus ist auch Fahrettin Petzel, Physiotherapeut, der vom türkischen Nikolo-Geburtsort Myra stammt. Er vermutet, dass die Dammstraßen-Demo von politischer Seite inszeniert wurde.
Was die Moschee- Besucher von „Terror”-Schlagzeilen über „radikale Moslems” halten? Terror habe nichts mit dem Islam zu tun, ist die einstimmige Antwort.
Das Kulturzentrum hat zwei getrennte Eingänge: Links für Männer, rechts für Frauen.
Die Männer sind im Obergeschoß, die Frauen im Keller. „Kopftuch ist normal”, beschreibt Arslan die Bekleidungsvorschriften für die Frauen. Petzel wirft ein: „Die Inder tragen auch Turban, darüber redet niemand!” Der Vorbeter von oben wird per Bild und Ton zu den Frauen nach unten übertragen. Von unten nach oben gibt es keine Übertragung.
Maria Sterkl, Berthold Eder und Rainer Schüller,
sind RedakteurInnen bei DerStandard.at
Langfassung der Reportagen mit Diashows
unter http://derStandard.at/Integration