Formulare statt Bleiberecht
Ein Bleiberecht ist durch die europäische Menschenrechtskonvention gegeben. Wer Anspruch darauf hat, müsste in einem Verfahren geklärt werden, das es in Österreich noch nicht gibt.
In Hinkunft, erklärten kürzlich Kanzler Alfred Gusenbauer und sein Vize Willhelm Molterer stolz, würden ganz „klare Kriterien“ über den humanitären Aufenthalt eines Flüchtlings entscheiden. Abschiebehärten ade? Tatsächlich handelt es sich bei diesen „klaren Kriterien“, die zwei ÖVP-Granden ausgearbeitet haben, um ein schlichtes Formular für den internen Dienstgebrauch. Der mögliche Grund für die Geheimhaltung des harmlosen Papiers (das MOMENT vorliegt): es ist auf Punkt und Beistrich identisch mit jenem Formular, das auch bisher in Verwendung war. Wieso die Härtefälle nun ausbleiben sollen, bleibt also ein Rätsel.
Erstaunlich ist hingegen, dass sich an der Grundproblematik keineswegs etwas ändern soll. Weiterhin wird Innenminister Platter die letztgültige Entscheidung für einen humanitären Aufenthalt fällen. Weiterhin sind damit „einsamen“ Entscheidungen Tür und Tor geöffnet. Rechtsmittel, also eine gerichtliche Kontrolle des behördlichen Handelns, sind nicht vorgesehen.
SOS Mitmensch plädiert deshalb erneut für ein eigenes Verfahren zur Klärung, ob Drittstaatsangehörige ein Bleiberecht erworben haben oder nicht. Dabei geht es gar nicht mehr um die Frage des Bleiberechts, sondern darum, warum die Bundesregierung den betroffenen Familien ein faires Prüfungsverfahren verweigert. Dass ein Bleiberecht ganz grundsätzlich gegeben ist, ist ja bereits durch die Europäische Menschenrechtskonvention entschieden: sie spricht von einem Recht auf Privat- und Familienleben.
Auch der Vorsitzende des Verfassungsgerichtshofs Karl Korinek wird nicht müde, genau darauf hinzuweisen. Die Regierung klappt aber lieber die Ohren zu. Sie hört deshalb auch nicht, dass der Europäische Gerichtshof in mehreren Verfahren sogar schon die Kriterien judiziert hat: Es zählen u.a. die berufliche und familiäre Verankerung, die familiäre Situation im Herkunftsland sowie Unbescholtenheit. Lauter Punkte, auf die Bürgermeister und Familien in Österreich lautstark hinweisen. Und die Regierung? Präsentiert statt dessen lieber ihr Integrations-Formular. phs