Das begabte Mädchen
Image (img1) invalid or missingEine Frau aus Indien flüchtet aus dem Flüchtlingslager Traiskirchen, weil sie sich dort um ihre vier Kinder und deren Zukunft Sorgen macht. Sie schafft es, im 3. Bezirk eine Existenz aufzubauen, arbeitet als Putzkraft.
„Die Inder“, sagt Frau Bock, „helfen sich gegenseitig gut.
“ Indem die Frau das Bundesland wechselt, riskiert sie ihre Grundversorgung. Ihre 16-jährige Tochter wird als hochbegabt eingestuft, ihre Lehrerin vermittelt einen Eignungstest auf der Rudolf Steiner Schule.
Das Mädchen besteht und erhält einen Freiplatz. Doch ihre Mutter hat nicht das Geld für die Schulkleidung, Schulbücher, ein Notebook.
Nicht verzagt, schnorrt der Elternverein alles zusammen. Los geht’s – noch nicht ganz. Frau Bock: „Die Direktorin ruft mich an und fragt, wie das Mädchen vom 3. in den 23. Bezirk kommen soll.
Ich frage daraufhin bei den Wiener Linien wegen einer Schulfreifahrt nach. Die sagen mir wortwörtlich: ‚Wir sind keine Sozialeinrichtung.
’ Dann ruf ich den Fonds Soziales Wien an. Die lehnen ab, weil die Frau ja nicht in ihrer Grundversorgung ist. Und überhaupt: Dann würden ja alle kommen.
“ Sollte das begabte Mädchen wirklich an einer Freifahrt scheitern? Also zahlt Frau Bock den Ausweis – sie tut es bis heute, weil’s die Stadt Wien nicht „kann“.
DER ISLAM UND DAS KREUZ
Frau Bock quartiert zwei Familien in einem Haus in einem kleinen Ort in der Steiermark ein: eine armenische – also christliche – und eine tschetschenische – also muslimische. „Die Frau aus Armenien“, erinnert sich Frau Bock, „hat ausgesehen wie ihre eigene Großmutter: grau, eingefallen, eine schlecht behandelte Schußverletzung, asthmatisch, die Kinder krank.
Die Familie hat 14 Tage am Westbahnhof gehaust, im November. Der Vater nervlich zerrüttet, zwei Selbstmordversuche in Schubhaft.“ Auch die tschetschenische Familie stand auf der Straße. „Ich dachte mir, wenn ich beide gleichzeitig in dem Haus einquartiere, das mir eine Frau zur Verfügung gestellt hat, dann wird das schon funktionieren.
Im Ort selbst haben sich die Leute gleich aufgebäumt, wie sie die kleinen Kinder gesehen haben, die der Pfarrer in den Kindergarten gebracht hat, war die Aufregung aber vorbei.“ Nur in der Landesleitstelle nicht, „was mir denn einfällt, in den Ort eine christliche und eine muslimische Familien zu verlegen... Daraufhin hat der Pfarrer dort gleich einen Wirbel gemacht, mit Erfolg: seither sind die zwei Familien in der Grundversorgung.
Die muslimische Frau hat dann zum Beispiel Adventkränze geflochten, auch ihr Mann ist gut im Ort aufgenommen worden.“ Und die zwei Familien untereinander? „Die haben sich bestens verstanden, gemeinsam die Küche und das Wohnzimmer benutzt. An der Wand ist der Herrgott aus Holz g’hängt und dem wars auch wurscht, dass die einen Muslime war’n.
EIN ROM MIT HERZINFARKT
Ein Rom aus Rumänien: „Er war seit fünf bis sechs Jahren hier, ist der Öffentlichkeit nie zur Last gefallen, hat schwarz gearbeitet. Bis zum Umfallen – Herzinfarkt. Der war so schwer, dass er fast nicht überlebt hat. Im Hanuschkrankenhaus wurde er operiert, der Arzt hat ihn dann am Kafreitag entlassen. Der Mann kommt zu mir mit einer elendslangen Liste der Medikamente, die er braucht. Die kosten gesamt 279 Euro.
“ Frau Bock ruft den behandelnden Arzt im Hanusch an: „Können Sie dem Mann nicht wenigstens über die Feiertage die Medikamente geben?“ Der Arzt: „Der hat soviel Besuch gehabt, die helfen ihm schon.“ Frau Bock: „Haben Sie nicht gesehen, dass die Leute kein Geld haben?“ Er: „Ja dann hätte der Mann nicht gehen sollen nach so einer schweren Operation.“ Frau Bock: „Ja und da riskieren Sie sein Leben?“ Er: „Der Mann ist ja freiwillig gegangen.“ Frau Bock: „Eine Schwester des Mannes hat Sie gefragt, ob er schon gehen könne.“ Daraufhin habe der Arzt einfach „Ja“ gesagt.
Für Frau Bock ein ganz gewöhnlicher Fall von Rassismus. Jetzt versucht sie ihm zur Grundversorgung zu verhelfen. Dort könnte der einfache Mann schon lange sein, hätte er sich getraut, seine Asylgründe geltend zu machen. P.S.: Die Medikamente hatte Frau Bock noch am Karfreitag vom Krankenhaus der Barmherzigen Brüder bekommen.