Wer is(s)t italienisch?
Italienische Restaurants gibt es wie Sand am Meer. Bei näherer Betrachtung löst sich das Südländische Ambiente allerdings schnell in luft auf.
....Aus dem österreichischen Alltag ausbrechen, ein wenig südländisches Flair genießen und dazu original italienische Küche. Diesen Luxus gönnen sich Herr und Frau Österreicher regelmäßig in den unzähligen italienischen Restaurants, die die heimische Gastronomielandschaft bereichern.
Mit der üppig belegten, dampfenden Pizza vor der Nase, dezenter italienischer Musik im Hintergrund und in einem sommerlich- gemütlichen Garten, womöglich sogar noch im Schatten wilder Weinreben, ist „bella Italia“ spürbar nahe.
Doch der Schein trügt. Der vermeintliche Italiener ist in den meisten Fällen schon seit jeher Ägypter oder Türke und gehört damit jenem Feindbild an, das so mancher Bürger dieses Landes sehr eifrig pflegt.
Beim Genuss des vermeintlich italienischen Essens ist von dieser Feindseligkeit freilich wenig zu spüren. PIZZA AUS LEIDENSCHAFT Usama ist Anfang 40 und kam vor 20 Jahren von Ägypten nach Österreich, seit drei Jahren gehört ihm die „Pizzeria Mamanoso“ im 19. Wiener Gemeindebezirk.
Er sieht den Grund für die Dominanz der MigrantInnen in seiner Branche vor allem in den schlechten Arbeitsbedingungen. „Als Pizzakoch arbeitet man normalerweise zwölf Stunden am Tag. Wenn man Familie hat, hat man dafür nicht genug Zeit. Als Zuwanderer, der allein nach Österreich kommt, ist man aber dankbar für jede Arbeit“. Mittlerweile ist Usama verheiratet und hat drei Kinder, mit ein Grund für die Entscheidung, sich selbständig zu machen.
Auf die Frage, warum er italienisches Essen verkauft und nicht mit einem ägyptischen Restaurant etwas Neues versucht, antwortet er schlicht: „Weil ich nicht ägyptisch kochen kann. Ich habe immer schon Pizza gemacht.“ SOZIALE AUFSTEIGER Wenn die Pizzeria schon nicht von ItalienerInnen betrieben wird, so möchte man meinen, wurde sie doch wenigstens irgendwann von welchen gegründet. Weit gefehlt. Diese Gastroszene wurde gar nicht von Ägyptern und Türken übernommen, sondern vielmehr von ihnen geschaffen.
„Die italienischen Immigranten haben immer nur Eis verkauft, die Fast-Food-Marktlücke, in die die Pizzerias gestoßen sind, wurde von anderen entdeckt“, meint der Sozialforscher und Migrationsexperte August Gächter. Auch den typischen sozialen Aufstieg vom Zeitungskolporteur zum Pizzakoch und weiter zum Pizzeriabetreiber bestätigt Gächter. Ob und wie dieser seine Fortsetzung finden wird, kann allerdings auch er nicht abschätzen.
„Ich halte es aber für möglich, dass viele dieser Restaurants, zumindest an den guten Standorten, von der zweiten Generation übernommen werden. So öffnet sich der Weg in die Mittelschicht.“ Original italienisch ist also kaum etwas an der eingangs geschilderten Szenerie. Einzig die Pizza selbst hält einem prüfenden Blick zunächst stand. Doch auch diese kommt nur in ihrer einfachsten Form wirklich aus Italien.
Die üppig belegten Fast-Food-Pizzas, die man heute serviert bekommt, wurden zwar von italienischen MigrantInnen erfunden, allerdings in den USA. Erst von dort verbreiteten sie sich über die ganze Welt. In Österreich interessiert das kaum jemanden. Vermutlich ist es aber auch besser so. Die Ägypter und Türken hätten sonst vielleicht weniger Erfolg, wenn sie nicht als Italiener erkannt würden.