Die Polizei denkt um
Antirassismus will trainiert sein. In etwa 30 Seminaren werden PolizistInnen aus ganz Österreich gegen diskriminatorisches Verhalten sensibilisiert. Das Konzept dazu heißt AWOD – A World of Difference – und wird von der Anti-Defamation-League durchgeführt.
Wie setzen Sie AWOD gegen Diskriminierung ein? Herbert Langthaler:
Diskriminierung ist eng verbunden mit Vorurteilen. AWOD basiert auf der Idee, dass Vorurteile nur bekämpft werden können, wenn sie bewusst gemacht werden. Sind die Mechanismen eines Vorurteils einmal klar, kann es auch wieder verlernt werden. Ziel ist, einen Bewusstseinsprozess in Gang zu setzen, der sich im Alltag fortsetzt.
Esther Maria Kürmayr:
Ausgangspunkt im Training ist immer die Beschäftigung mit der eigenen Identität. Der Weg zum „Du“ führt über das „Ich“. Im Training ist Platz für eigene Positionen, die im Berufsalltag vielleicht nicht angesprochen werden können. Durch Diskussionen, Rollenspiele können neue Positionen erfahren werden.
Klingt abstrakt, was wäre ein Beispiel?
HL:Wir arbeiten mit einem Video, das in einem Wiener Nobelbezirk spielt. Zwei Afrikaner sitzen in einem Auto. Zwei Polizisten, die in einem Streifenwagen gerade vorbeikommen, fragen sich, was die da tun. Sie überprüfen ihre Papiere. Anhand dieses Kurzfilms werden Fragen diskutiert, ob die Vorgehensweise dieser Polizisten in Ordnung ist, ihr Verhalten rassistisch ist.
Und warum ist das rassistisch? Darf die Polizei Personen nicht kontrollieren, wenn sie das für notwendig hält?
HL:Sie darf nur bei begründetem Verdacht kontrollieren. Beruht der Verdacht nur darauf, dass jemand schwarz ist – und Anhaltspunkte für einen Verdachtsmoment gibt es im Video ja nicht – ist das rassistisch. So kommen wir auf die Erfahrungen der SeminarteilnehmerInnen zu sprechen. Aber natürlich geht es bei ADL nicht nur um Rassismus, sondern um alle anderen Formen der Diskriminierung, wie Sexismus, Homophobie, Islamophobie oder Antisemitismus.
Haben Sie den Eindruck, dass die Polizei tendenziell rassistischer ist als andere Bevölkerungsgruppen?
HL: Am Anfang PolizistInnen nur freiwillig an den Seminaren teil. Das war relativ einfach. Nun kommen vermehrt jene an die Reihe, die dazu verpflichtet werden. Das merkt man. Da fallen immer wieder Äußerungen jenseits der Toleranzgrenze, wird auch einer fruchtbaren Diskussion bewusst entgegenarbeitet. Diese Leute erreichen wir dann auch schwer mit unserem Programm. Aber das Bild, die Polizei bestehe aus lauter RassistInnenn,
stimmt sicher nicht. Das ist eine Minderheit.
EMK:Es gibt PolizistInnen, die höchst reflektiert sind und andere, die das überhaupt nicht können. Bei denen trifft man dann auf alle Vorurteile und Formen der Diskriminierung, die es auch in Teilen der Gesellschaft gibt. Natürlich ist Diskriminierung bei der Polizei besonders schlimm, weil sie die Staatsgewalt vertritt und exekutiert. Allerdings tragen die Bedingungen, unter denen die Polizei arbeitet, nicht gerade dazu bei, die Empathiefähigkeit der einzelnen zu fördern.
Wie meinen Sie das?
EMK: Die PolizistInnen werden häufig bis zum Äußersten beansprucht. Die Institution Polizei ist sehr hierarchisch organisiert, viele fühlen sich nicht geschätzt, erfahren wenig Respekt bis hin zu demütigenden Behandlungen. Hinzu kommen viele Überstunden. Die Burn-Out Quote bei der Polizei ist nicht umsonst so hoch. Wie sollen Menschen, die selbst so schlecht behandelt werden, anderen respektvoll gegenübertreten? Dass in so einem Klima Ventile gesucht werden, darf nicht verwundern.
HL:Zudem muss die Polizei auch Gesetze exekutieren, die rassistisch sind. Sie müssen Menschen mit anderer Staatsbürgerschaft abschieben oder Razzien durchführen, die schon per Anweisung rassistisch sind – zum Beispiel wenn nur Menschen mit dunkler Hautfarbe kontrolliert werden sollen. Dass es in der Polizei kaum MigrantInnen und nursehr vereinzelt Schwarze gibt, fördert das Verständnis auch nicht unbedingt.
Werden Polizisten nicht auch psychologisch betreut?
HL: Nur in den ganz extremen Fällen. Auch Supervision – in den meisten Bereichen, wo Menschen emotional stark gefordert werden, längst gang und gäbe – ist bei der Polizei nicht üblich.
EMK:In den Seminaren wurde auch deutlich, dass es keine Kultur hat, sich von außen Hilfe zu holen. Interne Hilfe zu fordern, trauen sich viele auch nicht, weil sich das negativ auf die Karriere auswirken könnte. Man gilt dann schnell als jemand, „der es nicht packt“. Zuletzt hieß es öfters, es werde an den Strukturen innerhalb der Polizei gearbeitet. Ich hoffe, das ist tatsächlich so.
Haben Sie das Gefühl, dass Sie mit den Seminaren etwas verändern können? Sind rassistische PolizistInnen am Ende weniger rassistisch?
EMK: Einige ändern ihre Meinung, andere nicht. Darum geht es aber eigentlich nicht. Viel wichtiger ist, etwas anzustoßen. Die Evaluierungsbögen, die wir nach dem Seminar verteilen, zeigen immerhin, dass die Meisten die Seminare als wertvoll beurteilen. Der Erfolg lässt sich natürlich nicht messen, aber der langfristige Effekt ist da – auch bei vielen von denen, die es in der Gruppe nicht zeigen.
HL:Ich habe das Gefühl, meistens bringt es etwas. Schon deshalb, weil die meisten TeilnehmerInnen uns Bedarf an solchen Seminaren signalisieren, eine Sicht von außen hören wollen. Aber auch den TrainerInnen bringt es viel. Wir sind nicht frei von Vorurteilen. Mein Blick auf die Polizei hat sich in manchen Punkten verändert.