Meinungsbeherrschende Stellung
Die Polizei ist eine mächtige und wirkungsvolle Organisation. Ihr Einfluss auf die öffentliche Meinung muss begrenzt werden. Ein Beitrag im neuen MO-Magazin für Menschenrechte. Polizeikolumne - Philipp Sonderegger, Illustration: Petja Dimitrova
Eine impffreundliche Ärztin wird über Monate massiv bedroht. Nachdem die Polizei wegen Untätigkeit in die Kritik kommt, verteidigt ein Sprecher seine Behörde mit dem Hinweis, es handle sich bei der Frau um eine Wichtigtuerin. Der Behördenvertreter beschädigt die Glaubwürdigkeit eines Opfers schwerer Kriminalität, um die Polizei in einem besseren Licht dastehen zu lassen. Er stützt sich dabei auf Informationen, die ihm lediglich aufgrund der außerordentlichen Befugnisse der Exekutive zugänglich sind. Selbst wenn die Charakterisierung nicht völlig aus der Luft gegriffen wäre, ist das eine inakzeptable Grenzüberschreitung.
Ein derartiger Missbrauch der polizeilichen Sonderstellung ist kein Einzelfall. Als Umar Israilow von Kadyrow- Leuten in Wien erschossen wurde, nachdem ihm Polizeischutz verwehrt wurde, lancierte ein Sprecher des BMI Hintergrundgeschichten über die „tschetschenische Mafia“. Der Wiener Polizeipräsident hat schiefgelaufene Versammlungseinsätze wiederholt mit pauschalen und undifferenzierten Vorwürfen einer „gewaltbereiten Antifa“ gerechtfertigt. Die Polizei genießt breites Vertrau en in der Öffentlichkeit und setzt ihr Gewicht auch ein, um Einfluss auf die öffentliche Meinung zu nehmen. Keine andere Berufsgruppe kann mit so viel Unterstützung rechnen. Sogar Grüne goutieren die Forderung nach mehr Polizist*innen. Neben erfolgreicher Standesvertretung prägt die Polizei aber auch politische Debatten. Zum Beispiel dominiert sie mit ihrer Perspektive die Flüchtlingspolitik. Dabei greift die Exekutive heute auf eine professionelle PR zurück und verfügt über personelle und finanzielle Ressourcen, von denen NGOs, Medien oder Wissenschaft nur träumen können. Noch dazu bringt die Polizei das Amtsgeheimnis in Stellung, wenn sie sich nicht in die Karten schauen lassen will.
Abschließend: In der Demokratie soll die Polizei wirkungsvoll, dafür aber nicht politisch einflussreich sein. Damit sie Mittel zum Zweck bleibt. Ihre Sonderrechte müssen mit wirksamer Kontrolle durch Gerichte, Politik, Medien und Zivilgesellschaft einhergehen. Und sie muss selbst eine Zurückhaltung und Bescheidenheit an den Tag legen, die dem Monopol auf Ausübung legitimer Gewalt angemessen ist.
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