Shame on you
Nach einem Amoklauf an einer Schule in Florida startete eine Gruppe von 20 Schülerinnen und Schülern eine höchst erfolgreiche Kampagne gegen die Waffenlobbyisten. Emma Gonzalez wurde mit einer wütenden Rede an Donald Trump ihr bekanntestes Gesicht. Ein Beitrag im neuen MO-Magazin für Menschenrechte. Text: Gerfried Balzer.
Als sich Emma Gonzalez und Dana Loesch, Sprecherin der National Rifle Association (NRA), bei einer von CNN organisierten Diskussion über „Gun Control“ gegenüberstehen, geben Gonzalez und ihre Mitschülerinnen Loesch etwas mit auf den Weg: „Wir wollen, dass Sie wissen, dass wir Ihre zwei Kinder auf eine Weise unterstützen werden, wie Sie das in keiner Weise tun.“ Loesch ließ sich nicht aus der Ruhe bringen und gratulierte der 19-jährigen Gonzalez für ihr politisches Engagement. Sie selbst, so die NRA-Lobbyistin, sei als Teenager ebenfalls sehr aktiv gewesen und stehe deshalb nun auf dieser Bühne. Eine stärkere Waffenkontrolle ist in den USA bislang nicht mehrheitsfähig, wenig verwunderlich konnten auch die Schülerinnen der NRA-Frau keine Zugeständnisse abringen.
Emma Gonzalez, die junge Frau im Sinead O’Connor-Look, ist eine der Überlebenden des Massakers an der Marjory Stoneman Douglas Highschool in Parkland, Florida. Am 14. Februar 2018 marschierte der 19-jährige ehemalige Schüler Nikolas Cruz auf das Gelände und tötete 17 Menschen. Gonzalez war eine der Überlebenden. Mehrere SchülerInnen wandten sich in den Tagen darauf an die Öffentlichkeit. Gonzalez’ emotionale Rede fiel auf und ging um die Welt: Statt „Thoughts and prayers“ sollten die NRA, die Gesetzgeber und der Präsident lieber handeln. Donald Trump richtete sie aus: „Wenn der Präsident kommt und mir ins Gesicht sagt, dass das eine schreckliche Tragödie war, die niemals passieren hätte dürfen, werde ich ihn mit großer Freude fragen, wie viel Geld er von der National Rifle Association erhalten hat. Aber wisst ihr was? Seine Antwort spielt keine Rolle, ich weiß es ohnehin. Dreißig Millionen Dollar.“ Und weiter: „Rechnet man diese Summe auf die Opfer von Schusswaffen in den Monaten 2018 hoch, dann ergibt das 5.800 Dollar für jeden getöteten Menschen. Ist es das, was Ihnen diese Menschen wert sind, Trump?“
Unternehmen reagieren
In den USA gibt es mehr Waffen als EinwohnerInnen. Zu sagen, jede/r hat eine Waffe, wäre also noch untertrieben. Aus europäischer Sicht wirkt das wie ein Fetisch, aus US-amerikanischer Sicht ist es Normalität. Der zweite Zusatzartikel der US-Verfassung verbietet der Regierung sogar, das Recht auf Waffenbesitz einzuschränken. Während Nachbar Kanada keinen exzessiven Schusswaffenbesitz kennt, gehen die Amerikaner schon mit ihren Kindern auf die Shooting Ranch. Für Mädchen gerne auch mit rosa gefärbtem Schaft. Im heurigen Jahr verzeichnete man bereits mehr als 250 Angriffe mit Schusswaffen, bei denen zumindest vier Menschen ermordet wurden. Es macht den Eindruck, dass die meist männlichen Täter leichter Zugang zu einer Waffe haben als zu psychologischer Hilfe. Im Jahr 2018 wurden laut dem Gun Violence Archive in den USA 14.771 Menschen durch Schusswaffen getötet. Allein Washington könnte die Logik der Gewalt durchbrechen, wonach mehr Waffen auch mehr persönliche Sicherheit bedeuten. Mit Emma Gonzalez ist eine neue, starke Stimme in die politische Diskussion gekommen. Mit ihrer Rede gelang es ihr, die traurige Routine der Proteste nach Shootings mit neuer Energie aufzuladen. Gonzalez, Tochter einer Mathematiklehrerin und eines Rechtsanwaltes, erreichte gemeinsam mit ihren MitstreiterInnen bereits etwas. Aufgrund ihrer Kampagne „Boykott NRA“ beendeten mehrere Unternehmen ihre Kooperation mit den Waffenlobbyisten, darunter der Autovermieter Hertz und die Fluglinie Delta Air Lines. Die Waffen-befürworter zeigten Nerven und verbreiteten Fake News über Gonzalez. Der Schauspieler Adam Baldwin stellte Bildmaterial auf Facebook, wo zu sehen ist, wie Gonzalez die US-Verfassung zerreißt. Als der Schwindel aufflog, erklärte er, das sei doch nur „Satire“ gewesen. Das kommt einem auch in Österreich bekannt vor.
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