Neues aus der Parallelgesellschaft
Österreichische Muslime werden oft als religiöse Fanatiker oder als Parallelgesellschafter portraitiert, den Durschnitt sucht man vergeblich. Ein persönlicher und humorvoller Blick auf den Alltag einer wienerisch-muslimischen Suderantin.
Text: Nour El-Houda Khelifi
Rassismus? Business as usual
Populistische Parolen, mit denen Wahlkampf betrieben wurde, haben sich mittlerweile im Sprachgebrauch der Gesellschaft eingenistet. Denn die verantwortlichen Politiker aus der jetzigen Regierung legitimieren mit ihren gefährlichen Aussagen den Gebrauch von rassistischen und nationalsozialistischen Parolen. Der Wandel in der Gesellschaft ist spürbar. Auf der einen Seite die Zivilgesellschaft, die sich anhand von Initiativen zusammenschließt, unabhängig vom Alter und der Bildungsschicht, und entschieden gegen diese Politik der Exklusion Haltung zeigt. Auf der anderen Seite merkt man aber auch, wie ungehemmt der Ton in der Gesellschaft geworden ist, dazu mehr in der untenstehenden Anekdote. Ob auf der Straße, am Arbeitsplatz, in der Schule oder in Socialmedia – der Rassismus ist Bestandteil des Alltags. Ich kenne mittlerweile niemanden in meinem Umkreis, der nicht Opfer von rassistischer oder diskriminierender Hetze ist. Auch die körperlichen Angriffe haben zugenommen, besonders auf sichtbare Musliminnen.
Spuckende Lamas im 10. Bezirk
Tatort Wien Favoriten Reumannplatz bei der Haltestelle der Straßenbahnlinie 67. Die beißende Kälte passt zum harten Image des umstrittenen Bezirks, aber dazu ein anderes mal mehr. Meine Schwester möchte leider nicht namentlich genannt werden, also taufe ich sie für diese Anekdote in Kunigunde um. Kunigunde und ich warten also zusammen auf die Straßenbahn, auf der Jagd nach dem qualitativ besten Döner in Wien. So weit, so gut. Bisher habe ich Ihnen ein, zwei klassische Favoritnerklischees untergejubelt. Zurück zur Geschichte. Während meine Schwester also den bunten Trubel am Reumannplatz verfolgt, telefoniere ich gerade. Mit wem, weiß ich nicht mehr genau, muss anscheinend sehr wichtig sein, wenn nichts davon hängengeblieben ist. Kunigunde frönt also der Favoritner Szenerie, ich gebe mich der Telekommunikation hin. Plötzlich passiert alles ganz schnell, aber trotzdem irgendwie in Slow-Motion für mich. Eine etwas ältere Dame trippelt an uns vorbei und sieht uns mit ekelerregendem Blick an. Ich weiß, was jetzt kommen wird, meine Schwester auch. Wie zwei Geheimagentinnen nicken wir uns wortlos zu, der Person am anderen Ende der Leitung schenke ich schon längst keine Beachtung mehr. Die charmante Pensionistin verzieht plötzlich ihr Gesicht, die Grimasse lässt sich nicht ganz einordnen, der Mund nimmt eine komische Form an und gleicht dem – man möge folgende Metapher entschuldigen – Anus einer Katze. Kunigunde und ich sehen uns fragend an und prusten dann vor Lachen. Die Pensionistin hatte tatsächlich den Versuch gewagt, uns anzuspucken, scheiterte aber majestätisch.
Ich spekulierte zuerst auf einen kläglichen Versuch fein niesen zu wollen oder auf eine Ü70 Interpretation des Duckface. Mittlerweile habe ich inzwischen am Handy aufgelegt und kriege mich vor Lachen nicht mehr ein. Kunigunde fragt die Dame grinsend, was das werden soll, wenn´s fertig ist. Die Pensionistin hat ihre Mission nicht erfüllen können und versucht daher schnell weiterzugehen. Sie konnte es sich aber nicht verkneifen, mit zerbrechlich dünner Stimme noch ein „Ihr gehört nicht zu uns!!“ zu rufen.
Und so wie es das ungeschriebene Gesetz des Karmas verlangt, stieß sie mit einem Herren mittleren Alters zusammen, der das Geschehen vorhin auch schon mitverfolgt hat und stolpert vor sich hin. Was danach folgte, war eine spanische Schimpftirade, wie man sie von Pablo Escobar aus der Netflixserie „Narcos“ kennt.
In anderen Worten, nicht sehr jugendfrei. Kunigunde und ich sind nicht mehr zu bremsen, noch nie war Rassismus so armselig und lustig zugleich.
Die Moral der Geschichte? Mit Rassismus kommt man nicht weit, in Favoriten erst recht nicht. Und geben Sie nichts von sich, wofür sich Ihre Enkelkinder schämen würden.
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