"Die Bekämpfung der AfD bedarf keiner Strategie"
Burkard Dregger ist CDU-Abgeordneter und Innenpolitischer Sprecher der Partei im Gespräch über den richtigen Umgang mit rechtspopulisitischen Parteien, warum eine Koalition mit der AfD ausgeschlossen ist und warum die CDU den liberalen Islam fördert. Interview: Muhamed Beganovic, Fotos: Rainer Raschewski
Die Rechtspopulisten, wie zum Beispiel die AfD oder die FPÖ gewinnen immer mehr an Stimmen. Es gibt Politiker aus der Mitte des politischen Spektrums, die sich die rechte Rhetorik aneignen, um Wähler abzufangen. Welcher Umgang mit rechtspopulistischen Parteien ist am sinnvollsten?
Rechtspopulistische Abgeordnete haben keine geringere demokratische Legitimation als linkspopulistische Abgeordnete. Ich empfehle, sich mit ihren Positionen inhaltlich auseinander zu setzen. Nur wer die inhaltliche Auseinandersetzung durch überzeugende Argumentationskraft und Glaubwürdigkeit gewinnt, kann den Kampf gegen Populisten gewinnen. Wer hingegen die inhaltliche Auseinandersetzung scheut und sich aus Bequemlichkeit darauf beschränkt, den Populisten ihren Populismus vorzuwerfen, kapituliert und wird die Wähler nicht überzeugen.
Konkret zur AfD: Gibt es eine Strategie für den Umgang mit der AfD nach den Bundestagswahlen?
Die Bekämpfung der AfD bedarf keiner Strategie. Derzeit verliert die AfD an Zustimmung, und zwar erheblich. Wir Demokraten müssen nur unseren Job machen: Kompetenter und glaubwürdiger sein in der Bewältigung der Zukunftsaufgaben. Die AfD bringt im Berliner Abgeordnetenhaus fast nichts Brauchbares zustande. Daher wird sie verlieren, wenn wir besser und glaubwürdiger sind. Und das sind wir.
Sind rechtspopulistische Parteien eine demokratiepolitische Gefahr? Es ist ja doch so, dass die Demokratie eine Partei wie die AfD erst ermöglicht.
Nein, Parteien wie die AfD sind keine Gefahr für die Demokratie. Es ist völlig unnötig, immer auf Rechtspopulisten wie die AfD zu schauen wie das Kaninchen auf die Schlange. Eine Gefahr für die Demokratie wäre es, wenn ihre demokratischen Wettbewerber es nicht vermögen, die Wähler der AfD zurückzugewinnen. Das geht nur durch die besseren Argumente und Glaubwürdigkeit im politischen Streben nach Gerechtigkeit und dem Schutz der Interessen des eigenen Volkes.
Wäre für die CDU eine Koalition mit der AfD denkbar? Oder sind die Meinungen innerhalb der Partei zu unterschiedlich?
Eine Koalition kommt nicht in Frage. Sie wird nicht nötig sein zur Mehrheitsbildung. Und es ist das prioritäre Ziel, die AfD überflüssig zu machen und sie zum Verschwinden zu bringen.
Welche Themen bzw. Positionen sind Ausschlussgründe für eine Koalition?
Da fallen mir bei den Linkspopulisten mehr Punkte ein. Bei der AfD aber ist der entscheidende Ausschlussgrund, dass es in ihrer Führungsebene dumme Rassisten gibt, dass sie es darauf anlegt, das eigene Volk zu spalten und die große Aufgabe zu hintertreiben, aus dauerhaft bei uns lebenden Zuwanderern treue Staatsbürger zu machen, eine Grundvoraussetzung für den Erfolg unseres Landes in der Zukunft.
Es gibt Politiker aus Ihren eigenen Reihen, die Ihre Meinung nicht teilen. Ein CDU-Politiker, Herr Klaus-Peter Willsch, hat sich unlängst für eine Zusammenarbeit mit der AfD ausgesprochen. Was sagen Sie dazu?
Das ist kurzsichtig.
Ein wichtiges Wahlkampfthema ist Integration. Die AfD hat sich klar dazu geäußert. Sie, Herr Dregger, sind pro-Integration und sehr aktiv in dem Bereich. Was müssen Parteien, die Rechtspopulisten Paroli bieten wollen, in diesem Bereich – zusätzlich – machen? Anders gesagt: Was muss geschehen, um dieses Thema nicht den Rechtspopulisten zu überlassen?
Machen wir aus Zuwanderern treue Staatsbürger. Grenzen wir sie nicht aus, sondern holen wir sie in unsere Mitte, damit sie uns und unsere Werte kennenlernen und übernehmen. Das ist eine zutiefst patriotische Aufgabe. Dadurch helfen wir mit, dass die Menschen ihre Vorbehalte gegen Zuwanderer verlieren und die AfD keine Ängste schüren kann. Und machen wir den Zuwanderern, die nicht treue Staatsbürger werden wollen, klar, dass sie dann nicht dauerhaft zu unserem Land gehören können.
Die CDU fördert seit kurzem auch liberalere Strömungen des Islam. Warum eigentlich?
Wir wollen, dass sich die Muslime in Deutschland als Deutsche identifizieren. Hierfür ist es nicht zielführend, Muslime auszugrenzen oder ihre Religion zu bekämpfen. Ziel muss es vielmehr sein, dass die religiösen Prägungen der Zuwanderer an die Rechts- und Werteordnung unseres freiheitlich-demokratischen Landes angepasst werden. Auch das geht nicht durch Ausgrenzung. Sondern wir müssen die Reformbereitschaft der muslimischen Strömungen durch intensive Befassung mit ihnen wecken und fördern. Dazu brauchen wir auch die liberalen Muslime, die diesen Weg der Reform bereits gehen.
Anis Amri war ein Muslim mit radikalen Einstellungen. Solche Menschen und Ideologien sind verwerflich und gehören bekämpft. Sie haben gesagt, dass sie mit liberalen Muslimen zusammenarbeiten. Wie definiert man „liberalen Islam“?
Wir arbeiten mit allen muslimischen Strömungen zusammen, die nicht verfassungsfeindlich agieren. Aber wir legen besonderen Wert auf die Einbindung der liberalen Organisationen, die besser als andere erkannt haben, dass die herkömmlichen orientalischen Vorstellungen eines Islam als politisches Staatsmodell mit den Grundsätzen einer freiheitlich-demokratischen Grundordnung nicht in Übereinstimmung zu bringen sind. Daher stärken wir die Reformer z. B. bei der Schaffung eines Hochschulinstituts für islamische Theologie an der Humboldt-Universität in Berlin. Dort hat es die SPD-geführte Hochschulverwaltung tatsächlich fertig gebracht, eine Struktur zu schaffen, in der ausschließlich die traditionell-konservativen Islamverbände vertreten sind und die liberalen Islamverbände ausgeschlossen werden. Das hat zur Folge, dass die reformunwilligen Verbände eine Monopolstellung erhalten und die Reformkräfte ausgegrenzt werden. Einen derartigen Dilettantismus kann kein vernünftiger Mensch verstehen. Wir, die CDU, werden weiterhin mit allem Nachdruck auf die Korrektur dieses schlimmen Fehlers hinwirken und scheuen keine öffentliche Auseinandersetzung.
Die AfD hat auch bestimmte Meinungen über den Islam. Ist die Förderung der liberalen Strömungen ein Versuch, der AfD den Wind aus den Segeln zu nehmen, indem man ihnen positive Islam-Beispiele vorhalten kann?
Wir betreiben unsere Integrationspolitik nicht wegen der AfD. Unsere Vorstellungen sind auch viel älter als die AfD. Sie sind nicht wegen der AfD entwickelt worden. Die AfD ist in dieser Frage und für die Ausrichtung unserer Politik völlig irrelevant. Wir verfolgen unsere Politik, weil sie das Beste für unser Land ist.
Sie sind auch Vorsitzender im Amri-Untersuchungsausschuss des Berliner Abgeordnetenhauses. Das Interesse an diesem Ausschuss ist riesig. Wie reagiert die Bevölkerung darauf?
Die Bevölkerung ist durch diverse Medienberichterstattungen und Äußerungen des Berliner Innensenators Geisel (SPD) über etwaige Versäumnisse der Sicherheitsbehörden stark irritiert worden. Deshalb erwartet die Öffentlichkeit rückhaltlose Aufklärung. Allein die Tatsache, dass sich jetzt der Untersuchungsausschuss damit eingehend beschäftigt, hat bereits zu einer gewissen Beruhigung geführt. Es ist allen klar, dass etwaige Fehler identifiziert und abgestellt werden müssen, um die Terrorabwehr in der Zukunft zu verbessern.
Wie wird sich dieser Ausschuss auf die Wahlen auswirken?
Die Sicherheit unseres Landes und unserer Bürger ist das Top-Thema in Deutschland. Wirtschaftswachstum, Vollbeschäftigung und Wohlstand treten dahinter weit zurück. Die Bevölkerung erwartet von der Politik, dass alles Mögliche unternommen wird, um Terror zu verhindern. Im Bundesland Berlin regiert derzeit eine Koalition aus SPD, Linkspartei und Grünen, die in diesem Bereich schlicht nichts unternimmt, die den Kopf in den Sand steckt und hofft, dass kein weiterer Anschlag mehr passiert. Sie verweigert der Polizei die nötigen gesetzlichen Ermächtigungen, die in den meisten anderen Bundesländern vorhanden sind, z.B. Schleierfahndung, elektronische Fußfessel zur Überwachung potentieller Gefährder, Unterbindungsgewahrsam gegen potentielle Gefährder, Videoüberwachung an neuralgischen öffentlichen Plätzen. Daher wissen die meisten Deutschen inzwischen, dass sie die bestmögliche Sicherheit nur bekommen, wenn die nächste Bundesregierung von CDU und CSU angeführt wird.
Kommen wir zurück zum Thema Rechtspopulismus. Bundeskanzlerin Angela Merkel fordert, dass Parteien stärker in die Mitte rücken. Andere Stimmen aus der CDU, wie der zuvor erwähnte Klaus-Peter Willsch, schlagen eine Annäherung an Rechts vor. Was wäre nun die passendere Strategie gegen Rechtspopulismus?
CDU und CSU müssen weiterhin das gesamte demokratische Spektrum vom rechten Rand bis an den linken Rand der Mitte abdecken. Das funktioniert, wenn sie mehrere politische Führungsköpfe hinter unserer Kanzlerin hervorbringt, die die
verschiedenen Richtungen glaubwürdig repräsentieren.
Beobachten Sie die politische Lage in Österreich? Hier gewinnt die FPÖ immer mehr an Popularität. Auch Politiker aus dem Mitte-Rechts-Lager wie wie Sebastian Kurz äußern sich immer schärfer, um die Menschen aus dem rechten Spektrum anzusprechen. Wie beurteilen Sie die Lage in Österreich?
Nach meiner Wahrnehmung ändern auch in Österreich politische Verantwortungsträge ihre Schwerpunkte, wenn das Wohl des Landes das erfordert. Wenn Sebastian Kurz die Flüchtlingspolitik restriktiver gestalten möchte, dann macht er das vermutlich, weil es aus seiner Sicht für das Wohl Österreichs das Beste ist. Ich glaube hingegen nicht, dass er jeden Tag nur fragt, was die anderen Parteien vertreten.
Halten Sie es für wahrscheinlich, dass die regierenden Sozialdemokratische Partei eine Koalition mit der FPÖ eingehen wird?
Für Österreich kann ich das nicht beurteilen. Ich erwarte wenig Skrupel bei deutschen Sozialdemokraten, wenn es um den konkreten Machterhalt geht. In Deutschland hat die SPD auf Landesebene bereits mehrfach Koalitionen mit der Linkspartei geschlossen. Die ist keinesfalls ein besserer demokratischer Koalitionspartner als die AfD.
Sehen Sie Unterschiede zwischen der AfD und der FPÖ?
Ich kann nicht beurteilen, ob die FPÖ ähnlich schwach und inkompetent besetzt ist wie die AfD, ob sie sich ebenso darauf beschränkt, schlechte Stimmung und Unzufriedenheit zu verbreiten, ohne konstruktive Lösungsvorschläge zu machen und ob sie ebenso nur ein politisches Thema – die Flüchtlinge – zu bearbeiten versucht wie die AfD. Sollte die FPÖ so schwach wie die AfD sein, wird sie keine politische Zukunft haben.
ZUR PERSON
Burkard Dregger ist Mitglied des Abgeordnetenhauses von Berlin, Innenpolitischer Sprecher der CDU-Fraktion, Vorsitzender des Untersuchungsausschusses „Terroranschlag Breitscheidplatz“ und Mitglied des Präsidiums der Berliner CDU.
Muhamed Beganovic wurde vor 28 Jahren in Mazedonien geboren, verbrachte zehn Jahre seiner Kindheit in Skopje, sechs Jahre seiner Pubertät in den Niederlanden und lebt seither in Österreich. Er arbeitet als freier Autor und Redakteur und schrieb u.a. für die Zeitschrift „Das Biber“ und die „Wiener Zeitung“.
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