Wieviel Fleisch verträgt unsere Welt?
Die Weltbevölkerung wird sich bis 2050 von 7,5 auf 10 Milliarden Menschen erhöhen. Können wir Hungersnöte verhindern, indem wir mehr Fleisch produzieren? 11 Fragen zum Fleisch - 11 Antworten von Bernhard Wohner
1. Warum soll Fleischkonsum für unser Klima schädlich sein? Die Tiere stehen doch in Österreich auf der Weide.
Wie viele Tiere in Österreich jemals auf eine Weide gelangen, ist nicht in öffentlichen Statistiken zu finden. Laut eines Vortrages im Rahmen der Fachtagung mit dem Thema „Tierwohl und Umweltschutz in der Gastronomie“ erhalten in Österreich weniger als 15 Prozent der Rinder Zugang zu einer Weide, bei Schweinen sehen weniger als ein Tier von Hundert in ihrem Leben das Freie.
Auf das Klima wirkt sich die Tierhaltung sowohl auf der Weide, als auch im Stall aus. Durch die Verdauungsprozesse entstehen die besonders klimawirksamen Treibhausgase Methan und Lachgas. In der öffentlichen Debatte wird zumeist über CO2 gesprochen. Dabei ist Methangas rund 29-mal und Lachgas sogar 265-mal schädlicher für das Klima. Ob diese Treibhausgase im Stall oder auf der Weide produziert werden, spielt für unser Klima keine Rolle.
Neben den direkten Emissionen der Tiere ist auch der Anbau der Futtermittel bedeutend. Rinder, die sich auf der Weide vonGras ernähren, nehmen für den Menschen nicht verwertbares Pflanzenmaterial auf und stehen dadurch mit uns nicht in direkter Nahrungsmittelkonkurrenz. Doch die Weidehaltung hat nicht nur Vorteile, denn die Tiere auf der Weide wachsen langsamer als die im Stall und müssen damit älter werden, um das gleiche Gewicht zu erreichen. Dadurch werden auch über eine längere Zeit Emissionen erzeugt, zugleich ist jedoch kaum Getreideanbau für diese Tiere nötig. Manche Studien kommen dabei zum Ergebnis, dass Tiere auf der Weide pro erzeugtem Kilogramm Fleisch eine höhere CO2-Bilanz als solche aus dem Stall aufweisen. Den Tieren Auslauf zu geben – egal ob Rindern, Schweinen oder Geflügel – ist aber zumindest artgerechter.
2. Die Weltbevölkerung wird sich bis 2050 von 7,5 auf 10 Milliarden Menschen erhöhen. Können wir Hungersnöte verhindern, indem wir noch mehr Fleisch produzieren?
Nein, denn Hungersnöte werden durch die verstärkte Fleischproduktion sogar angefacht. Um eine Kalorie Fleisch zu erzeugen, werden zwischen zwei und sieben pflanzliche Kalorien benötigt, die den Tieren gefüttert werden. Dadurch entsteht eine unglaubliche Lebensmittelverschwendung. Außerdem war die Nachfrage nach Futtermittel auch ein Auslöser für die Krise der Grundnahrungsmittelpreise in den Jahren 2007 bis 2008. Damals hatten sich die Preise von Getreide fast verdoppelt. Für viele ärmere Bevölkerungsschichten wurden sie damit unerschwinglich, besonders in den ärmeren Ländern Asiens und im subsaharischen Afrika.
Ein Beispiel: Weltweit werden rund 90 Prozent der Sojaernte und knapp ein Drittel der Getreideernte von Tieren, statt von Menschen gegessen. Diese Mengen allein würden ausreichen, um 3,5 Milliarden Menschen – und damit den bis 2050 prognostizierten Bevölkerungszuwachs – zu ernähren.
3. Durch den Sojaanbau werden für das Klima wichtige Regenwälder zerstört. Sind vegan lebende Menschen an dieser Entwicklung schuld?
In Österreich gekaufte Soja-Drinks und Tofu werden im Regelfall aus österreichischem oder europäischem Soja hergestellt, dafür wird kein Regenwald zerstört. Dramatischer ist aber: Wir importieren jährlich rund 70 Kilogramm Soja pro ÖsterreicherIn, die fast ausschließlich für die heimische Tierhaltung verwendet werden, wovon rund 90 Prozent gentechnisch verändert ist. Das meiste Soja stammt aus Argentinien, Brasilien und den USA. Allein in Brasilien wurde in den letzten 15 Jahren eine Waldfläche vier Mal so groß wie Österreich gerodet, auf der sich nun Soja-Monokulturen finden oder Rinder gehalten werden.
4. Kann Österreich oder Europa statt Soja aus Südamerika nicht einfach heimische Futtermittel einsetzen?
Der Selbstversorgungsgrad der EU-Länder mit Soja liegt bei einigen wenigen Prozent. Obwohl Österreich den fünftgrößten Sojaanbau in der EU hat, kann es bei Weitem nicht genug davon produzieren, um die – durch den hohen Fleischkonsum bedingte Nachfrage – auch nur ansatzweise zu bedienen. Um die gleiche Menge an Eiweiß aus Soja ersetzen zu können, wäre eine größere Menge eines heimischen Ersatzproduktes nötig, wie z.B. Rapsschrot. Dafür gibt es aber weder in Österreich noch in der EU genug landwirtschaftliche Flächen.
5. Fleisch aus europäischer Produktion taucht immer öfter in Afrika auf. Wie kann es sein, dass Hühnchen-Schenkel afrikanische Märkte unter Druck setzen?
Ein Huhn besteht nicht nur aus Brustfleisch und so fallen bei der Schlachtung von Geflügel auch viele Fleischteile an, die wir verwöhnten EuropäerInnen als minderwertig ansehen. Deshalb werden große Teile von geschlachteten Hühnern – aber auch von Schweinen und Rindern – in die Welt und auch nach Afrika exportiert. In den vergangenen zehn Jahren haben sich die Geflügelfleischexporte der EU nach Afrika fast verdreifacht. Afrikanische Geflügelzüchter werden auf diese Weise oftmals wirtschaftlich ruiniert: Die Produktionskosten in Europa belaufen sich mit 1,80 Euro auf nur knapp die Hälfte der Produktionskosten in afrikanischen Ländern.
6. Oft hat man den Eindruck, Fleisch wird im Supermarkt billiger angeboten als Gemüse. Wie kann das sein?
Fleischproduzierende Betriebe müssen weder für die entstehenden Treibhausgas-Emissionen, noch für die gewässerbelastende Gülle der Tiere bezahlen. Das Verursacherprinzip entfällt, denn es fehlen Instrumente, die die entstehenden Umweltkosten und Gesundheitskosten von Fleisch in das Produkt einpreisen.
Zudem ist der Lebensmittelhandel selbst in die Erzeugung von Fleisch eingestiegen, und auch die beinharte Konkurrenz im Rahmen von Preis-Aktionen setzen die Landwirtschaft immens unter Druck, immer billiger Fleisch zu produzieren.
7. Was passiert mit den Millionen Tonnen von Gülle und dem Methangas, die bei der Fleischproduktion entstehen?
Während das in der Viehhaltung entstehende Methangas in die Atmosphäre entweicht und dadurch den Klimawandel weiter antreibt, müssen landwirtschaftliche Betriebe geeignete Entsorgungswege für die anfallende Gülle der Tiere suchen.
Die stickstoffhaltige Gülle kann durch das Ausbringen auf Feldern den Einsatz künstlicher Düngemittel ersetzen und ist somit im Sinne der Kreislaufwirtschaft zu begrüßen, doch wird Grünland zum Teil stark überdingt. Die Menge ausgebrachter Gülle ist in Österreich so hoch, dass dabei nicht immer gesetzliche Grenzwerte auf dem Feld oder als Nitratrückstände im Trinkwasser eingehalten werden. Sinnvoller wäre es, solche Überschüsse vermehrt zur Energiegewinnung in Biogasanlagen einzusetzen, um dort die Verstromung von Nahrungsmitteln wie Mais zu ersetzen. Gülle stellt auch eine Gefahr für Oberflächengewässer dar. Erst im Juli kam es wieder zu einem Gülleaustritt in einem steirischen Schweinemastbetrieb, der ein massives Fischsterben im nahegelegenen Bach auf drei Kilometern Länge zur Folge hatte.
8. Ist es schädlich für meine Gesundheit, wenn ich Schweine-, Hühner- oder Rinderfleisch verzehre?
Zahlreiche Studien bezeugen die gesundheitlichen Vorteile einer vegetarischen oder veganen Ernährung. So lauten z.B. die Erkenntnisse der US-amerikanischen „Adventist Health Study“, dass das Risiko an Bluthochdruck zu leiden, oder an Diabetes oder Krebs zu erkranken, bei einer pflanzlichen Ernährung deutlich geringer ist, als wenn man regelmäßig Fleisch isst.
Die Weltgesundheitsorganisation WHO hat im Jahr 2015 den Genuss von verarbeitetem Fleisch, also Wurst oder Schinken, als krebserregend eingestuft. Laut der WHO gilt rotes Fleisch (Rind, Schwein) generell als krebserregend.
9. Hilft es dem Klima oder meiner Gesundheit, Bio-Fleisch zu kaufen?
In einer Langzeitstudie stellte das Forschungsinstitut für die Biologie landwirtschaftlicher Nutztiere fest, dass Rinder aus Bio-Landwirtschaft im Vergleich zu solchen aus konventioneller Haltung doppelt so viele gesunde Omega-3-Fettsäuren enthalten. Das sei vor allem auf die höhere Menge an Grünfutter und ihre Bewegungsfreiheit zurückzuführen. Antibiotikagaben sind in der Bio-Haltung streng reglementiert und das Futtermittel wird ohne Einsatz von chemischen Pestiziden angebaut. Gentechnisch verändertes Futter darf nicht eingesetzt werden, womit es unwahrscheinlicher ist, dass Bio-Tieren Soja aus ehemaligen Regenwaldgebieten verfüttert wird. In der Bio-Tierhaltung entstehen jedoch ebenso Treibhausgasemissionen, wodurch pflanzliche Produkte im Vergleich weiterhin wesentlich umweltfreundlicher sind.
10. Bio-Fleisch ist teuer. Leben wohlhabende Menschen gesünder, weil sie es sich leisten können?
Eine gesunde Ernährung wird hauptsächlich durch eine Reduktion des Fleischkonsums, oder auch durch den gänzlichen Verzicht erreicht. Empfohlen wird, nicht mehr als drei Portionen Fleisch pro Woche zu essen, in Österreich sind es durchschnittlich fünf Portionen. Wer weniger Fleisch isst, kann das ersparte Geld in den Kauf von heimischem Bio-Fleisch investieren.
11. Muss ich ein schlechtes Gewissen haben, wenn ich Schweinefleisch esse?
Das Schwein gehört zu den intelligentesten Säugetieren. Schweine erkennen sich –wie Elefanten, Delphine und Primaten – selbst im Spiegel, worauf auf eine Form von Selbstbewusstsein geschlossen werden kann. Schweine gelten als besonders sozial, freundlich und loyal und können mehr Kommandos als Hunde lernen. Man geht davon aus, dass die Intelligenz von Schweinen über jene von dreijährigen Kindern hinausgeht. Eine US-amerikanische Studie stellte fest, dass Schweine Videospiele mit Joysticks besser bedienen können als die meisten Primaten. Die ethische Entscheidung, Tiere zu essen, muss aber jeder und jede für sich selbst treffen. Ungeachtet dessen muss die Haltung dieser Tiere verbessert werden. In Österreich lebt ein konventionelles Schwein momentan auf einem Quadratmeter, ohne Möglichkeit zu wühlen oder sich zu suhlen.
Bernhard Wohner studierte Landschaftsplanung, Umwelt- und Bioressourcenmanagement, sowie Agrarpädagogik und arbeitet seit 2013 als Nachhaltigkeitsexperte bei GLOBAL 2000.
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