Die FPÖ ist nicht gezähmt
ANDERE ÜBER... Noch gefährlicher als ein schwarzblauer Pakt wäre Rot-Blau: für die Zivilgesellschaft und für die Menschenrechte.
Kommentar: Doron Rabinovici
Was sich ankündigt, ist ein fataler Fehler: eine Regierungsbeteiligung der FPÖ wäre heute schlimmer als im Jahr 2000. Der Protest gegen Schwarzblau, damals voller Pathos Widerstand genannt, hatte recht: Die Freiheitlichen wurden durch die Koalition nicht gemäßigter. Im Gegenteil: Die FPÖ ist radikaler denn je. Wir warnten im Jahr 2000 davor, dass der rassistische Populismus nicht überwunden werden würde, sondern legitimiert. Genau das ist geschehen. Wir befürchteten, Österreich könne zum Präzendenzfall für andere Länder werden. Wer kann das heute bestreiten? Alles, was angekündigt wurde, was die Kritik ansprach, ist auch eingetreten. Positionen, die damals noch ein Skandal waren, wurden in der Zwischenzeit zur Normalität und diese Zustände wurden nicht bloß – doch sehr wohl auch – durch die Einbindung von Haiders Bewegung in die Regierung legitimiert. Die Hoffnung, die Freiheitlichen könnten durch Ministerämter gezähmt und verantwortlicher werden, ist widerlegt.
Die typische Mine des Jörg Haider war das schiefe Lächeln, mit dem er so manche Ungeheuerlichkeit sagte, womit er den einen bedeutete, er provoziere bloß und meine das, was er erklärte gar nicht so ernst, während er dem harten Kern des Rechtsextremismus damit bewies, einer der ihren zu sein. Strache und Gudenus beherrschen dieses Doppelspiel gar nicht. Sie brauchen es auch nicht. Sie zielen offen darauf, in anderen Zeiten zu leben. Diese freiheitlichen Politiker wollen Verhältnisse jenseits derer, die wir seit 1945 anstreben. Sie sind die Nachfolger der Vorgänger jener Kräfte, die Europa einmal bereits in den Abgrund stießen.
Aber dieses Europa ist bereits verändert. Im Jahr 2000 war, was sich in Österreich abspielt, eine singuläre Erscheinung. Nun aber werden die Freiheitlichen durch den Rechtsextremismus in anderen Ländern – ob in Ungarn oder in Polenbestärkt. Im Weißen Haus amtiert ein neuer Präsident. Die Freiheitlichen bewundern Donald Trump. Sie sehen sich im Trend. Die Angriffe auf die liberale Demokratie sind stärker denn je, und in der FPÖ ist eine Burschenschaftsclique an der Macht, die es sehr ernst meint.
Noch gefährlicher als ein schwarzblauer Pakt wäre indes Rotblau für die Zivilgesellschaft und für die Menschenrechte. Die Sozialdemokratie in der Opposition war ein Garant der demokratischen Werte. Unter Schwarzblau war zumindest auf die sozialdemokratische Opposition Verlass. Damit ist es nun vorbei. Schlimmer noch: Im Bündnis mit den Freiheitlichen würde die SPÖ von innen her korrumpiert.
Jetzt schon verfehlt der sogenannte Kriterienkatalog sein Ziel: Die Sozialdemokratie wirkt gespalten. Die SPÖ wollte die Debatte auf diese Weise beenden, doch ist sie nun vollkommen darin verfangen. Zudem desavouiert sie sich und erntet dafür von den Freiheitlichen nur Hohn, denn der Kriterienkatalog ist so formuliert, dass er nichts besagt. So wird Rotblau nicht zur Drohkulisse, sondern nur zur Legitimationsformel und zum Sanktus für Schwarzblau.
Die Strategie geht nicht auf. Sie ist ein Fehler. Wer früher SPÖ wählte, gab eine Stimme gegen einen Pakt mit der FPÖ ab. Für viele ein zentraler Grund, sich für sie zu entscheiden. Dieses Argument nutzte Michael Häupl in Wien, aber auch Alexander Van der Bellen für den Kampf um die Hofburg. Emmanuel Macron errang damit seinen Triumph. Es gibt eine Mehrheit gegen die Koalition mit den Rechtsextremen. Wer diese Mehrheit nicht umwirbt, wird verlieren.
Der Schriftsteller Doron Rabinovici, 1961 in Tel Aviv geboren, lebt seit 1964 in Wien. Seine Prosa, Hörspiele und Theaterstücke wurden mehrfach ausgezeichnet. Im Jahr 2000 gab er „Republik der Courage. Wider die Verhaiderung“ (gem. mit Robert Misik) im Aufbau Verlag heraus. Weitere Publikationen: „Neuer Antisemitismus? Eine globale Debatte“ (Ko-Hg., edition suhrkamp, 2004). „Papirnik.“ (edition suhrkamp, 1994), „Suche nach M.“ (Suhrkamp, 1997). „Instanzen der Ohnmacht. Wien 1938-1945. Der Weg zum Judenrat.“ (Suhrkamp 2001). „Ohnehin“ (Suhrkamp, 2004). „Andernorts“ (Suhrkamp, 2010). Aktuell: „Die Außerirdischen“ (Suhrkamp, 2017). Rabinovici war im Jahr 2000 ein Mit-Initiator der Demonstration gegen eine FPÖ-Regierungsbeteiligung.
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