Burkadebatte: Alles nur Kosmetik?
CLARTEXT. Das Burka-Thema wird uns noch länger begleiten. Kosmetikdebatten werden uns nicht weiterhelfen. Clara Akinyosoye sagt es nicht durch die Blume. Eine Kolumne über Diversität und Migration, Illustration: Petja Dimitrova
Ich weiß schon. Der Sommer ist vorbei. Ich bin spät dran. Alle, die was auf sich halten, haben sich zur Burkafrage bereits geäußert. Es gab Kluges und weniger Geistreiches. Polemik von rechts und links. Unqualifiziertes Geschwafel. Ultimative Bedrohungsszenarien. Nonnenvergleiche. Nun gut. Man könnte meinen, es ist genug über die Burka gesprochen worden. Immerhin so viel, dass mittlerweile auch einige Nicht-Nahost oder IslamexpertInnen den Unterschied zwischen Burka und Niqab erklären können. Es ist genug. Immerhin kommt der nächste Sommer bestimmt. Jedem Sommer seine Burkadebatte. Aber diese Debatte, mal ehrlich: Soll das alles gewesen sein? Burka, Niqab und Burkini wurden in Frankreich quasi gleichgesetzt. Frauen mit Leggings und Kopftuch am Strand von der Polizei verfolgt. Applaudiert haben vor allem Fundamentalisten – rechte und islamische. Welch Koalition scheinheiliger Moralisten und Frauenverachter. In Österreich wurde die Debatte bereitwillig aufgenommen. Schließlich steht nach Wochen des Diskurses und der Niqab- Selbstversuche ein Burkaverbot im Raum. Es wird als Teil eines Integrationspakets verhandelt. Schon allein deswegen ist das Thema nicht vom Tisch, auch wenn der Sommer vorbei ist. Es wird uns wohl weiter beschäftigen. Auch weil entgegen den Behauptungen mancher, vollverschleierte Frauen wahrscheinlich zuletzt öfter im Wiener Stadtbild erschienen sind als früher. Nicht nur am Graben, sondern am Hannovermarkt, am Handelskai, in Margereten. Dass es vielleicht mehr werden, auch wenn es eine Handvoll bleibt – darüber werden wir wohl sprechen dürfen. Warum diese Frauen den Schleier tragen und, ob das ein Statement ist, mit dem sich eine liberale Gesellschaft befassen muss, das sollten wir auch diskutieren. Eine Burkaverbot- Debatte ist so legitim wie eine längst überfällige Laizismus-Diskussion. Aber verirren wir uns nicht. Wenn wir nur über die Kleidung sprechen, verlieren wir uns in kosmetischen Debatten. Wir sollten aber fundamentalistische Strömungen und extremistische Positionen innerhalb der (übrigens gesamten) Bevölkerung analysieren und diskutieren, wie wir denen begegnen wollen und können, wie wir Mädchen und Buben stärken, aus tradierten Rollenbildern auszubrechen, wo wir Geld investieren müssen, um unliebsamen antidemokratischen Entwicklungen zu begegnen. Ob (nur) ein Burkaverbot die Lösung ist, ich bezweifle es. Mehr muslimische Sozialarbeiterinnen, die zu den Frauen und Mädchen über die wir seit Monaten sprechen, durchdringen, würden da vielleicht eher helfen. Diesbezüglich hab ich noch keine Forderung vernommen. Aber vielleicht erörtern wir das dann im Winter. Falls nach dem Sommer der Symbolpolitik noch Zeit ist – für Sachfragen.
Clara Akinyosoye ist freie Journalistin und Ex-Chefredakteurin von M-Media.
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