Ich möchte mich nicht wundern müssen, „was noch alles geht“
ANDERE ÜBER...Franz Fischler meint: Der Bundespräsident muss eine Integrationsfigur für alle ÖsterreicherInnen sein. Er ist nicht dazu da, auszugrenzen. Damit spricht der ehemalige EU-Kommissar eine klare Wahlempfehlung aus. Kommentar: Franz Fischler
Das Datum des dritten Durchgangs der Präsidentschaftswahlen rückt näher, der Wahlkampf hat wieder Fahrt aufgenommen und da sind sie wieder: die Emotionen für oder gegen einen der beiden Kandidaten, die Untergriffe, die Verleumdungen und hie und da auch einige rationale Argumente. Ich weiß zwar, dass letztere leider nicht unbedingt wahlentscheidend sind, weil die „Likes“ und „Dislikes“ auf Facebook immer mehr die Oberhand gewinnen, aber gerade in dieser Lage einen kleinen Schritt zurück zu machen und einige nüchterne Überlegungen dem überschwappenden Schaum vor den Mündern der sozialen Medien gegenüberzustellen, kann jedenfalls nicht schaden.
Grundsätze, Kompetenz, Geschick
Die Institution „Bundespräsident“ ist ein Dienst an Österreich. Daher sind die Kandidaten danach zu beurteilen, wer von ihnen diesen Dienst am besten leisten kann. Da fällt die Wahl – mir zumindest – nicht schwer. Der Bundespräsident muss eine Integrationsfigur für alle ÖsterreicherInnen sein, er ist nicht dazu da, auszugrenzen, die Konfrontation zu suchen, potentielle Konflikte anzuheizen oder Österreich international zu isolieren. Seine Wirkung nach außen hängt wesentlich von seiner Persönlichkeit, von seinen politischen Grundsätzen, von seiner Kompetenz und seinem Geschick ab. Ich möchte mich daher nicht wundern müssen, was „noch alles geht“, sondern gerne wissen, welche Rolle unser künftiger Präsident zu spielen gedenkt. Ich kann mit einem Bundespräsidenten nichts anfangen, der sich nicht klar zur Notwendigkeit und Sinnhaftigkeit der Europäischen Union bekennt und für den die Menschenrechte nicht die unverrückbare Basis für sein politisches Handeln sind. Der Bundespräsident ist gleichzeitig auch eine Projektionsfläche jener Politik, für die Österreich steht. Auf dieser Projektionsfläche möchte ich ein weltoffenes, kreatives, friedliches, freiheitsliebendes, nachhaltiges und gerechtes Österreich ablesen können. Ich bin mir aber auch darüber im Klaren, dass es den idealen Kandidaten, der alle diese Anforderungen zu Hundert Prozent erfüllt, nicht gibt. Daher geht es eben um das Abwägen, wem ich mehr zutraue, dass er den Anforderungen an dieses Amt am ehesten gerecht wird. Dieser Arbeit sollten wir jedenfalls nicht dadurch aus dem Weg gehen, dass wir am 2. Oktober zu Hause bleiben. Die Zeiten werden ruppiger, in den politischen Auseinandersetzungen sind Anstand und Toleranz immer seltener geübte Qualitäten. Daher wünsche ich mir jemanden als Nr. 1 des Staates, der zumindest ansatzweise als Kontrastprogramm zum allgemeinen Trend wahrgenommen werden kann.
ZUR PERSON | Franz Fischler
1946 in Tirol geboren, studierte Landwirtschaft an der BOKU Wien. Er war Bundesminister für Land- und Forstwirtschaft, später EU-Kommissar für Landwirtschaft und Entwicklung des ländlichen Raumes. Von 2005 bis Ende 2011 war Franz Fischler Präsident des Ökosozialen Forums. Als EU-Kommissar sprach er sich für die Einführung der Tobin-Steuer (auf Devisentransaktionen als erste eigene Steuer der Europäischen Union) zur Armutsbekämpfung aus. Er ist Präsident des Europäischen Forums Alpbach.
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