Schlafen im öffentlichen Raum: verboten
SPOTLIGHT. Rafaela ist vor neun Jahren nach Österreich gekommen. Sie möchte hier arbeiten, doch es kommt alles anders. Text: Teresa Wailzer
Rafaela ist in Wien zuhause. Vor neun Jahren ist sie nach Österreich gekommen, um Arbeit zu finden. Vor einigen Wochen erlebte Rafaela eine nächtliche Polizeikontrolle im Park. Die 33-jährige Frau war wieder einmal obdachlos geworden und musste im Park nächtigen. In Österreich hat Rafaela Straßenzeitungen verkauft und verschiedene Jobs angenommen. „Am besten war es als Küchenhilfe“, sagt sie „da habe ich etwas gelernt, Geld verdient und hatte eine eigene Wohnung.“ Doch sie wurde Opfer eines Betrügers. Sie erhielt vom „Vermieter“ keinen gültigen Mietvertrag, konnte die monatlichen Zahlungen in bar nicht nachweisen und wurde delogiert. Sie verlor den Job und belegte über das AMS einen Deutschkurs. Die Frau geht gerne in den Deutschkurs, in dieser Zeit kann sie allerdings keiner Arbeit nachgehen. Zuerst übernachtete Rafaela bei Bekannten, die die Briefe von Inkassobüros und Magistraten, die Rafaela erhielt, allerdings zunehmend beunruhigten. So kam es, das Rafaela in den Park ausweichen musste. In einer Nacht kam eine weitere Anzeige dazu. „Polizeikontrolle!“ „Campieren im öffentlichen Raum ist in Österreich verboten“, hieß es, als Polizisten acht Personen in einem aus Decken gebauten Häuschen auffanden. Mit einem Aufgebot von rund 20 Polizisten wurden die Ausweise kontrolliert. Rafaela spricht gut Deutsch und versuchte den Polizisten die Situation zu erklären: dass sie keinen Platz zum Schlafen hat, dass sie durch den Deutschkurs noch schwieriger Arbeit findet, dass die anderen Personen aus ähnlichen Gründen hier sind. Die anderen hatte sie gerade im Park kennengelernt. Die Exekutivbeamten interessierte das wenig. Sie bezeichneten Rafaela als „Anführerin“, vermutlich aufgrund ihres gepflegten Aussehens und ihrer guten Deutsch-Kenntnisse. Eine Polizistin entriss Rafaela ihre Handtasche, entnahm ihre Geldbörse und behielt das Geld im Wert von 328 Euro ein.
Bargeld eingezogen
Rafaela hatte das Geld gespart, um es ihrem Kind nach Rumänien zu schicken. Rafaela kennt die Gesetze. Sie selbst hat im Rahmen eines Projekts, Goldenes Wiener Herz, PassantInnen erklärt, wie die Gesetzeslage in Wien aussieht. „Die Polizei darf mir das Geld nicht einfach wegnehmen“, wiederholt sie. „Auch wenn ich weiß, dass ich nicht draußen schlafen darf. Aber dann bekomme ich eine Strafe, das wäre normal.“ Ein Polizist sagte, sie bekomme das Geld zurück wenn das „Häuschen“ abgebaut ist. „Doch die Polizisten haben gelogen, wir haben alles weggeräumt und dann haben sie alle über uns gelacht“, erzählt Rafaela ein wenig verstört. Danach drückte die Exekutive jedem/jeder Person einen Strafzettel wegen illegalen Campierens in die Hand. Mit den Worten, ihr Geld reiche für alle, die „Anführerin“ solle für alle und sofort bezahlen. Rafaela beschreibt eine Art Panik, die in ihr aufkam, sie erinnert sich, dass sie zweimal mit dem Pfefferspray bedroht wurde und dass der Polizeieinsatz von 22 Uhr bis 4 Uhr oder 5 Uhr in der Früh gedauert hat. Gegen Ende meinte einer der Polizisten, dass die Menschen entweder zum Westbahnhof oder gleich nach Rumänien gehen sollen. Aber Rafaela fühlt sich in Wien zuhause. Zurzeit wohnt Rafaela bei einer anderen Bekannten und freut sich schon, wenn der Deutschkurs zu Ende ist. Abends und Samstags verkauft sie Straßenzeitungen. „Wenn ich dann eine gute Arbeit habe, dann kann ich endlich mit meinem Kind gemeinsam in einer kleinen Wohnung in Ruhe leben. Wenn wir gesund sind, mein Kind hier zur Schule geht und ich Arbeit finde. Ja, das wäre mein Traum.“
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