EU finanziert ihre Gegner
Viele rechtspopulistische Parteien lehnen die EU ab,
sitzen aber auf deren Mandat im Europäischen Parlament.
Geht das? Kommentar: Karin Liebhart
Nationalistische, rechtspopulistische und rechtsextreme Anti-EU Parteien gewannen 2014 22,9 % der Sitze im Europäischen Parlament. Der französische Front National vervierfachte sein Ergebnis von 2009, die United Kingdom Independence Party, die Dänische Volkspartei und die Freiheitliche Partei Österreichs zählten ebenfalls zu den Gewinnern. Auch in Belgien, Deutschland, Finnland, Griechenland, Italien, den Niederlanden, Polen, Schweden und einigen anderen Staaten wurden Rechtsaußen-Parteien ins EP gewählt. Sie fordern den Austritt aus der Eurozone oder gleich aus der EU, eine Renationalisierung der Politik und Verschärfungen im Bereich Migration und Asyl. Mit AusländerInnen-, insbesondere MuslimInnen-Feindlichkeit erzielen sie deutliche Erfolge auch auf nationaler Ebene. Im EP bilden Rechtsaußen-Parteien mehrere Fraktionen und dominieren auch die Gruppe fraktionsloser Abgeordneter mit VertreterInnen neofaschistischer Parteien (wie Jobbik, Goldene Morgenröte oder NPD). AfD, Dänische Volkspartei und Wahre Finnen sind Teil der Allianz der Europäischen Konservativen und Reformer. Europa der Freiheit und der Direkten Demokratie zählt UKIP und die schwierig einzuordnende italienische Fünf-Sterne-Bewegung zu ihrer Fraktion. Marine Le Pen (Front National) gründete 2015 Europa der Nationen und der Freiheit, der u.a. die FPÖ , die Lega Nord und der belgische Vlaams Belang angehören.
EU-Gehalt gerne angenommen
Mit dem Fraktionsstatus sind Finanzmittel, bessere administrative Infrastruktur, leichterer Zugang zu Ausschüssen und längere Redezeiten verbunden. Trotz heftiger Kritik an der EU und ihren Institutionen wird diese Unterstützung, die eigentlich zur Schaffung eines europäischen politischen Bewusstseins beitragen soll, von den Rechtsaußen-Parteien gerne angenommen. Deren ParlamentarierInnen beziehen ihr Gehalt selbstverständlich von der EU. Auch einer der schärfsten EU-Kritiker, Nigel Farage, will im Gegensatz zu früheren Ankündigungen und ungeachtet seiner Überzeugung, dass das europäische Integrationsprojekt sowieso zum Scheitern verurteilt ist, weiterhin seinen Sitz im EP behalten. Im Zuge der Brexit- Kampagne hatte Farage die hohen Ausgaben für Gehälter von EU-ParlamentarierInnen noch scharf kritisiert. Die Fraktionen im EP sind nicht mit den Europaparteien, Zusammenschlüssen politischer Parteien aus EU-Staaten, die auf europäischer Ebene arbeiten, zu verwechseln. Einige Fraktionen sind allerdings mit Europaparteien ident. In anderen Fällen besteht enge Zusammenarbeit. Europaparteien können ebenfalls Finanzmittel aus dem Haushalt der Europäischen Union beantragen, wenn sie Grundsätze der EU, wie Demokratie, Menschenrechte, Grundfreiheiten und Rechtsstaatlichkeit (be)achten. Die Finanzierung der 2016 anerkannten rechtsextremen Allianz für Frieden und Freiheit der u.a. die deutsche NPD und die griechische Goldene Morgenröte angehören, stieß deshalb auf scharfe Kritik aus dem EP.
EU finanziert ihre GegnerInnen
Dass die EU ihre deklarierten GegnerInnen finanziert, selbst wenn diese wie Marine Le Pen die EU zerstören wollen, mag ärgerlich erscheinen, fragwürdig ist es jedenfalls. Nach den Regeln des Europaparlaments für Fraktionen- und Parteienfinanzierung ist die Vergabe von finanziellen Förderungen an EU-feindliche Rechtsaußen-Parteien jedoch nicht ausgeschlossen. Dagegen sprechen sich mittlerweile immer mehr EuroparlamentarierInnen aus. Eine 2017 in Kraft tretende Regelung soll zukünftig verhindern, dass anti-europäische Parteien, die die Grundwerte der EU ablehnen und europafeindlich, rechtsextrem und rassistisch agieren, finanzielle Unterstützung erfahren. Dies sollte allerdings nicht darüber hinwegtäuschen, dass das Wahlergebnis 2014 und die geringe Wahlbeteiligung von 42,6 Prozent auch grundlegende demokratiepolitische Probleme Europas spiegeln: das schlechte Image der EU, politisches Desinteresse, Fremdenfeindlichkeit und insbesondere die zunehmenden sozialen Spannungen in Europa. In vielen Fällen übernehmen PolitikerInnen anderer Parteien hier die Erklärungsmuster und Forderungen der Rechten, anstatt alternative Modelle zu vertreten. Wem eine solche Politik letztlich nützt, liegt auf der Hand.
Karin Liebhart ist Dozentin am Institut für Politikwissenschaft in Wien.
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