Pakt gegen Terror
Terroristen wollen uns Alltag, Vertrauen und Zuversicht rauben und sie wollen blinde Wut und Frontenbildung provozieren. Populisten unterstützen sie dabei. Dagegen müssen wir uns wappnen. Kommentar: Alexander Pollak, Illustration: Petja Dimitrova
Die im Namen der Terrormiliz IS in Europa durchgeführten Anschläge haben Wirkung gezeigt. Sie haben mehr als 200 Menschenleben gekostet, viele verletzt und viele für ihr Leben geschockt. Sie haben Angehörige in tiefe Trauer gestürzt und in der Bevölkerung Angst und Schrecken verbreitet. Und sie haben Misstrauen und auch Hass geschürt.
Fatal sind jedoch nicht nur die unmittelbaren Auswirkungen der Gewaltakte. Fatal ist auch, dass die Terroristen auf zahlreiche Akteure zählen können, die den Terror zwar scharf verurteilen, zugleich aber daran arbeiten, die Wirkung der Taten der Terroristen zu verstärken.
Zu diesen Akteuren zählen etwa Personen, die in unklaren Situationen während eines möglichen Anschlags in sozialen Netzwerken vorschnell Gerüchte streuen oder gezielt Falschinfos verbreiten und damit Ängste verstärken und teils gefährliche Panik provozieren
Die Wirkung des Terrors verstärken auch jene Medien, die von Dramen leben. Das Geschäftsmodell dieser Medien ist es, Ereignisse, die emotional berühren, so weit auszuschlachten wie nur irgendwie möglich. Dazu gehört, dass sie auch in Zeiten, in denen kein Terror stattfindet, den Eindruck vermitteln, dieser setze sich fort: indem sie jede Terrordrohung zur Schlagzeile machen und sämtliche im öffentlichen Raum stattfindende Gewalt als mutmaßliche Anschläge branden.
Zu den Akteuren, die die Taten der Terroristen verstärken, gehören schließlich auch jene Kräfte, die alles daran setzen, um politisches Kleingeld aus den Anschlägen zu schlagen. Schlimmer noch, einige dieser Akteure wollen sogar genau das, was auch die Terroristen wollen, nämlich dass die Gewaltakte einen nachhaltigen Einfluss auf unsere Gesellschaft haben. Sie wollen, dass es zu blindem Hass und einer unüberbrückbaren gesellschaftlichen Frontenbildung kommt,
In Österreich ist es die FPÖ, die terroristische Taten, aber auch Taten, die keine Terrorakte sind, dafür missbraucht, um Polarisierung und insbesondere die kollektive Frontenbildung gegen MuslimInnen voranzutreiben. So versuchten Strache & Co. nach dem von einem rechtsextrem eingestellten Jugendlichen verübten Amoklauf in München die Bevölkerung entgegen der Faktenlage davon zu „überzeugen“, dass dieser Amoklauf die Tat eines radikalislamistischen Terroristen gewesen sei. Gleiches geschah bei der mörderischen Amokfahrt eines mutmaßlich psychisch Kranken in Graz und bei einer tödlichen Messerattacke eines mutmaßlich psychisch Kranken in London. Jeweils versuchte die FPÖ-Führung das Ereignis in ihr Projekt der radikalen Frontenbildung zu integrieren.
Was ist also zu tun? Nach Terrorangriffen jegliche Wut und Angst unterdrücken? Das wäre der falsche Weg. Wut ist angebracht: Wut auf die Täter, Wut auf ihre Hinterleute. Aber Wut muss, im Gegensatz zum Mitgefühl mit den Opfern und ihren Angehörigen, Grenzen kennen. Denn Ziel der Terroristen ist es, für eine Entgrenzung von Wut zu sorgen. Sie wollen eine Wut, die nicht mehr zwischen Tätern und Unschuldigen unterscheidet. Sie wollen eine Wut, die zu einer Spirale des Misstrauens, des Hasses und der Frontenbildung führt. Wenn diese Wirkung erreicht wird, triumphiert der Terror.
Dagegen müssen wir uns wappnen. Ein Pakt gegen den Triumph des Terrors könnte folgendermaßen lauten: „Wir sind wütend auf die Terroristen, die Menschen ermorden und verletzen, die Trauer und Verzweiflung hervorrufen und die Angst und Schrecken verbreiten. Wir sind wütend auf die Hinterleute dieser Terroristen. Aber wir werden uns nicht in undifferenzierten Hass treiben lassen. Wir werden unsere Wut nicht gegen Unschuldige richten. Wir werden Widerstand gegen die von den Terroristen gewollte Frontenbildung leisten. Wir werden daran festhalten, zu differenzieren und die Menschenwürde zu achten. Und wir werden uns weiterhin für ein friedliches Zusammenleben einsetzen. Unabhängig von Herkunft, Hautfarbe oder Religion.“
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