Reden wir über Ängste
CLARTEXT. Schauen wir auch auf die Ängste derer, die oftmals als Feindbilder herhalten müssen. Clara Akinyosoye sagt es nicht durch die Blume. Eine Kolumne über Diversität und Migration, Illustration: Petja Dimitrova
Wir kennen das alle: Wenn Wahlen nicht so gelaufen sind, wie man das gern gehabt hätte, dann hört man von PolitikerInnen nicht selten den Satz: „Wir müssen die Sorgen der Menschen ernst nehmen.“ Ja, die Sorgen und die Ängste der Menschen ernstnehmen – das ist grundsätzlich keine schlechte Idee. Und die Sorgen, die da bisher anscheinend zu wenig ernstgenommen worden sind, die haben meist mit Migration, Asyl oder Islamismus zu tun. Es fremdelt vielen Leuten einfach zu sehr in Österreich – so könnte man es ausdrücken, wenn man zynisch ist. Aber wenn es um Angst geht, dann ist Zynismus gar nicht so angebracht. Also vielleicht sollten wir in aller Ernsthaftigkeit über Ängste reden: Reden wir darüber, dass die Asylzahlen rasant gestiegen sind und weder Österreich noch die Europäische Union den Eindruck erwecken, dass die Flüchtlingskrise gelöst werden kann. Reden wir darüber, dass es in deutschen und österreichischen Städten zu sexuellen Übergriffen von Asylwerbern auf Frauen gekommen ist und die gefühlte (!) – Kriminalität von Asylwerbern gestiegen ist. Und sprechen wir auch darüber, dass in unserer Nähe, in europäischen Städten, die viele von uns schon bereist haben, islamistische Terroristen tödliche Anschläge verüben und wir nicht wissen, ob sie eines Tages auch in Österreich zuschlagen werden. Reden wir auch über steigende Arbeitslosigkeit und die Sorge vor dem sozialen Abstieg. Das alles macht Angst und die PolitikerInnen sind gut beraten, diese Sorgen ernst zu nehmen. Es ist angesagt, die Menschen mit Fakten zu versorgen, die helfen, ihnen jene Ängste, die unbegründet sind, zu nehmen. Und dort, wo Politik durch Handlungsfähigkeit Ängste abbauen kann, muss sie aktiver werden. Aber bitte, schauen wir auch auf die Ängste derer, die oftmals als Sündenböcke, als Feindbilder und Problemfälle herhalten müssen. Liebe Politiker und Politikerinnen: Nehmt Euch auch der Ängste der Menschen an, die hier in Österreich leben, aber ethnischen Minderheiten angehören. Menschen, die sichtbar, hörbar, merkbar nicht der autochthonen Bevölkerung angehören – sie sind auch ängstlich. Sie fürchten Vieles, was Andere auch fürchten und mehr: Zum Beispiel, dass sie wegen ihrer Hautfarbe, oder weil sie Kopftuch tragen, öfter Ziel von Rassismus und körperlichen Übergriffen werden. Sie beunruhigt, dass sie und ihre Kinder in Zukunft noch mehr diskriminiert und benachteiligt werden könnten. Diese Menschen sind auch die Bevölkerung. Und es gilt auch ihre Sorgen ernst zu nehmen und dort aktiv zu werden, wo gehandelt werden muss. Das Innenministerium gab vor kurzem bekannt, welche Entwicklungen ihnen in Österreich besonders Sorge bereiten. Das ist zum einen die Bedrohung durch den Jihadismus, zum anderem das Erstarken einer rechtsextremen Bewegung im moderaten Gewand. Ich finde, wir sollten diese Sorgen ernstnehmen.
Clara Akinyosoye ist freie Journalistin und Ex-Chefredakteurin von M-Media.
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