Community News
Muslimische Communities helfen oft unbürokratisch und arbeiten zumeist abseits der Öffentlichkeit an der Integration von Flüchtlingen. Sie sind eine wichtige Schnittstelle innerhalb der Gesellschaft. Was aber tut sich hier? Text: Ibrahim Yavuz
Neue Rolle als Schlichter
MuslimInnen haben als Teil der österreichischen Gesellschaft in den vergangenen Jahren ihre Türen für ankommende Flüchtlinge geöffnet. Die Islamische Föderation in Wien (IFW) berichtet, dass sie in ihrem Veranstaltungssaal bislang 13.000 Menschen aus unterschiedlichen Ländern versorgt hat: mit Verpflegung, einem Schlafplatz und fallweise auch mit den nötigen Dingen für eine Weiterreise. Auch dieses Jahr sind mehrere hundert Menschen dort untergekommen, vorwiegend aus Afghanistan, dem Irak und dem Iran. Im Kontakt mit anderen Stellen, etwa der Stadt Wien, sieht man bei der Islamischen Föderation sogar Fortschritte durch diese Arbeit. „Auch wenn in Koordinationskreisen und Sitzungen Muslime immer noch mit Vorurteilen und Vorbehalten zu rechnen haben, stellen wir doch fest, dass das über den aktuellen Dialog abnimmt“, erzählt der IFW-Pressesprecher Ersoy Bülbül. Schon mehrmals hätten Behörden ihn in der Nacht kontaktiert, als es Probleme in Flüchtlingsunterkünften gab. Bülbül fand sich so unversehens in der neuen Rolle, als Schlichter zwischen Behörden und Flüchtlingen aufzutreten. Dass man ihn deshalb kontaktiert, findet der Vertreter der Islamischen Föderation aber durchaus normal: „Das ist doch klar. Wir sind Muslime und viele, die kommen, auch.“ Weniger Verständnis hat Bülbül aber dafür, dass man immer nur bei Bedarf Muslime und Musliminnen an den Tisch holt, anstatt im Gespräch zu bleiben: „Deshalb entsteht auch keine kontinuierliche Zusammenarbeit, aus der sich mit der Zeit eine gegenseitige Vertrauensbasis bilden könnte.“ Bei Bülbüls Einsätzen geht es zumeist um eher harmlose Konflikte. Einmal fehlt ein Gebetsplatz, ein anderes Mal eine ausreichende Waschmöglichkeit. „Wir mussten auch schon mal eine Hausordnung ausarbeiten, an die sich dann alle zu halten haben“, erzählt er. Ein Mandat für seinen Schlichterjob gibt es nicht. Auch sonst fehlt eine offizielle Regelung für seine neue Tätigkeit. „Alles beruht auf inoffiziellen Telefonaten und Gesprächen. Und wenn ich mal keine Zeit habe, dann werden die Probleme einfach aufgeschoben.“ Bülbül erinnert sich, dass sich einmal eine Familie bei ihm gemeldet habe, weil sie eine Pflegeelternschaft für ein Kind beantragen wollte. „Vereinzelt gibt es das, dass Menschen Flüchtlingskinder als Pflegeeltern bei sich zu Hause aufnehmen wollen.“ Der Gesetzgeber mache es den Hilfsbereiten aber nicht leicht, die Bedingungen für so eine Pflegeelternschaft seien sehr umfangreich. „Das schreckt viele Muslime ab“, so Bülbül.
Ehrenamt Gefängnisseelsorger
Immer wieder wird diskutiert, ob die Gefängnisse in Österreich ein „Sumpf“ der Radikalisierung sind. Wie ist die Lage, wird darauf auch reagiert? Derzeit finanziert der Staat sechs katholische Seelsorger, während es kein Geld für nur einen einzigen muslimischen Seelsorger gibt. Das findet Ramazan Demir ungerecht. Er ist hauptberuflich islamischer Religionslehrer und seit Jahren ehrenamtlich und sehr rührig als Gefängnisseelsorger in der Justizanstalt Josefstadt unterwegs. Demir pocht auf die Gleichberechtigung, zu der sich der Staat in Bezug auf Religionsgemeinschaften verpflichtet hat. Diese vermisst er im Fall der Muslime. Er hatte schon mit der Verabschiedung des neuen Islamgesetzes gehofft, dass sich nun auch seine Situation als Gefängnisseelsorger verbessern würde. Immerhin steht im Islamgesetz etwas von Rechten neben den Pflichten der MuslimInnen. Ramazan Demir ist aber nicht der einzige Seelsorger, der kostenlosen Einsatz leistet. Er erzählt, dass es auch jüdische Seelsorger gibt, die ehrenamtlich in den Haftanstalten tätig sind. Bei der Verpflegung der jüdischen Insassen konnten immerhin Verbesserungen erzielt werden, sie erhalten koscheres Essen, vom Ministerium bereitgestellt. Halal-Fleisch für Muslime suche man hingegen vergeblich. Muslimische Seelsorger sind in Österreich ausnahmslos ehrenamtlich tätig. Meistens sind es islamische Religionslehrer, die ihre Freizeit „opfern“. Das Justizministerium ist sich der Problematik bewusst und stellt österreichweit für 46 muslimische Seelsorger pro Jahr 20.000 Euro zur Verfügung. „Das Geld reicht gerade einmal aus, um die Ausgaben und Fahrtkosten der Seelsorger abzudecken“, sagt Demir lächelnd. Im Klartext heißt das: Es fehlt eine Finanzierung durch den Bund. Die Sorge, dass Menschen sich in den Gefängnissen radikalisieren könnten, klingt vor diesem Hintergrund doch recht halbherzig.
Unterstützen Sie jetzt unabhängigen Menschenrechtsjournalismus mit einem MO-Magazin-Solidaritäts-Abo