0,2 Prozent des BIP
Was kostet ein Flüchtling den österreichischen Staat, welche Investitionen löst er aus? Eine ökonomische Kosten-Nutzen Analyse, die aber nicht alles sein kann. Text: Sonja Dries
Am 14. Oktober 2015 stellte Finanzminister Hans Jörg Schelling dem Parlament den Budgetentwurf für das nächste Jahr vor. Dabei ging es auch um Asyl und Flüchtlinge. Das Budget für die Grundversorgung soll 2016 auf 420 Millionen Euro erhöht werden. Für die Integration von Flüchtlingen wird es einen eigenen Topf mit 75 Millionen Euro geben, weitere 70 Millionen gehen in Arbeitsmarktmaßnahmen für Flüchtlinge. Damit die Bundesländer die Kosten für AsylwerberInnen tragen können, dürfen sie im nächsten Jahr um 0,1 Prozent vom österreichischen Stabilitätspakt abweichen. Dieser setzt die finanzpolitische Verpflichtung gegenüber der EU, gesamtstaatlich zumindest beinahe ausgeglichene Budgets zu erzielen, um. Das Ministerium rechnet hier mit Zusatzkosten von 345 Millionen Euro, weitere 90 Millionen Euro will Schelling als Reserve verbuchen. Die 910 Millionen Euro, die für nach Österreich flüchtende Menschen ausgegeben werden sollen, entsprechen 0,2 Prozent des BIP. Zwischen 2011 und 2013 lagen sie durchschnittlich noch bei 0,05 Prozent.
Aufschlüsselung der Kosten
In dem Budgetbericht an die EU geht das Finanzministerium von ungefähr 85.000 AsylwerberInnen im nächsten Jahr aus. Pro Person sagt es Kosten von 10.724 Euro pro Jahr voraus. Der größte Teil, nämlich 7.665 Euro fallen dabei für Unterkunft und Verpflegung an. Dies entspricht 21 Euro pro Tag, für unbegleitete Minderjährige 95 Euro. Einen weiteren Teil macht die Gesundheitsversorgung aus. 1.343 Euro werden hier pro Mensch und Jahr berechnet. Für das Erlernen der Sprache stehen jedem Asylwerber einmalig 720 Euro zur Verfügung. Dazu kommen durchschnittlich 240 Euro für eine Beratung, 150 Euro für Bekleidung und 120 Euro für Erholungszwecke. Für den ganz persönlichen Bedarf wird jedem asylsuchenden Menschen noch ein Taschengeld von ungefähr 1,30 Euro pro Tag, also 480 Euro pro Jahr zugesprochen.
Investition in die Wirtschaft?
Trotz der zusätzlichen Belastung des Budgets sieht Schelling kein Nachhaltigkeitsrisiko. Das öffentliche Defizit werde 2015 und 2016 deutlich unter 3 Prozent des BIP bleiben. Manche Ökonomen sagen sogar einen kurz- und mittelfristigen Anstieg des BIP durch die erhöhte Zuwanderung voraus. Ulrich Schuh von EcoAustria spricht von einem Konjunkturimpuls, da zusätzliche Schulden mehr Nachfrage brächten. Auch der Chef des Kölner Instituts der deutschen Wirtschaft Michael Hüther glaubt, dass der Flüchtlingszuzug kurzfristig wie ein kleines Konjunkturprogramm wirken werde. Das Geld, das der Staat für die Versorgung der Flüchtlinge in die Wirtschaft pumpt, so Hüther, versickert nicht im Ausland, sondern schafft im Inland neues Geschäft und Arbeitsplätze.
EcoAustria führt derzeit eine Studie mit der Donau-Universität Krems zu diesem Thema durch. Erste Trends zeigen ein Steigen der Beschäftigung und der Arbeitslosigkeit gleichermaßen. In einer mittelfristigen Prognose geht das WIFO davon aus, dass das Arbeitskräfteangebot im nächsten Jahr um 15.000 Personen wachsen wird. Der Zuzug von Flüchtlingen wird in den nächsten Jahren aber auch volkswirtschaftliche Erträge liefern. In Deutschland prognostiziert eine Studie des Instituts für Wirtschaftsforschung eine Steigerung des BIP um 1,9 Prozent für 2016. Ein Anteil von 0,2 Prozent wird den Flüchtlingen zugeschrieben, da staatliche Unterstützung für Produkte, wie Lebensmittel, Dienstleistungen, Kleidung und Unterkunft ausgegeben werde. Dieser Effekt lässt sich auch mit Österreich vergleichen. Vor allem die konsumnahen Unternehmen können von den Flüchtlingen profitieren. In Österreich sind es auch Firmen wie die Wiener Neudorfer Containex, deren Geschäft durch die Flüchtlinge angekurbelt wird. Laut „Format“ hat das Innenministerium dort allein 700 Container im Wert von 4,6 Millionen Euro bestellt.
Die Debatte sollte aber nicht nur als Kosten-Nutzen-Rechnung geführt werden. So sagte zum Beispiel der deutsche Wirtschaftsforscher Clemens Fuest: „Wir helfen Leuten, die politisch verfolgt sind. Und da geht es nicht darum, dass das Deutschland nützt.“ Und auch für Helmut Hofer vom IHS stellt das Vermischen von ökonomischen und menschenrechtlichen Fragen ein Problem dar. Finanzminister Schelling sprach in seiner Budgetrede neben Einnahmen und Ausgaben auch über Österreichs lange Tradition der humanitären Hilfe. Es sei diese Menschlichkeit die unser Land auszeichne. Man darf hoffen, dass es so bleibt.
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