Die Wiener Polizei hat mich festgenommen, weil ich schwarz bin
Ein junger schwarzer Mann wird an der Josefstädter Straße als verdächtig herausgepickt und herabwürdigend behandelt. Drogen fand man nicht, eine Anzeige erhielt er trotzdem. | Text: Huey T., Illustrationen: Eva Vasari
Wer regelmäßig bei der Josefstädter Straße in die U6 steigt, weiß, dass sich die Station in den letzten Jahren zu einem beliebten Drogenumschlagplatz entwickelt hat. Weil ein guter Freund von mir im 16. Bezirk wohnt, komme ich dort in letzter Zeit häufig vorbei und konnte dabei schon ein paar Mal Situationen beobachten, in denen Leute von der Polizei durchsucht wurden.
Als ich an einem Freitagabend wieder einmal auf dem Weg zu meinem Kumpel an der Josefstädter Straße ankam und die Treppe zur Eingangshalle hinunter lief, stach mir eine Gruppe von Polizisten in der Mitte der Halle ins Auge. In mir stieg ein leicht unangenehmes Gefühl auf – nicht weil ich irgend etwas zu verbergen oder falsch gemacht hatte, sondern viel eher weil es mir fast regelmäßig passiert, dass ich aufgehalten und durchsucht werde. Auf den einen oder anderen mag es vielleicht ein bisschen paranoid wirken, aber ich weiß mittlerweile eben, dass ich bei solchen Personenkontrollen durch meine bloße Erscheinung ein interessantes Objekt darstelle. Ich bin ein großer, schwarzer, junger Kerl, der gerne Kapuzen und Caps trägt – das scheint da offensichtlich schon zu reichen. Und bisher waren die meisten Kontrollen nichts anderes als Zeitverschwendung und/oder Schikane. Wenn einem so etwas zum wiederholten Mal passiert, wird man einfach vorsichtig.
Mein erster Gedanke beim Anblick der Polizistengruppe war also: Bleib cool und geh ganz entspannt an ihnen vorbei. Genau das machte ich auch, aber es dauerte nur ein paar Sekunden, bis einer der Beamten mich sah und ohne zu zögern mit dem Finger auf mich zeigte. Ein anderer Beamter kam daraufhin auf mich zu. Ich nahm meine Kopfhörer ab. „Personenkontrolle. Dürfte ich bitte Ihren Ausweis sehen?“
Blöderweise hatte ich meine Geldtasche zuvor bei einem Freund liegen lassen. Ich versuchte, dem Beamten zu erklären, dass ich aus diesem Grund keinen Ausweis dabei hatte, als er wieder mit dem Finger auf irgendetwas oder jemanden hinter mir zeigte. Ich drehte mich um, um zu sehen, worauf er die anderen Polizisten aufmerksam gemachte hatte, und sah einen zweiten schwarzen Mann auf der gegenüberliegenden Seite die Treppe herunterkommen.
Wir kontrollieren nur...
Obwohl ich kein Naiverl bin und so ein Verhalten von Seiten der Polizei keine komplett neue Erfahrung für mich war, fiel mir bei so viel Offensichtlichkeit die Kinnlade runter. Ich drehte mich zurück zum Polizisten und sah ihn fragend an. „Das ist aber schon rassistisch, was Sie da machen.“ Er sah mich verblüfft an. Dann wandelte sich sein Gesichtsausdruck in Ärger. Er entgegnete mir lediglich ein: „Wie bitte?“ Ich sagte ihm noch einmal, dass es ganz offensichtlich rassistisch sei, was er und seine Kollegen da gerade abziehen. Der Polizist schien noch verärgerter zu werden. „Wir kontrollieren den anderen Mann nur, weil er dabei war, uns aus dem Weg zu gehen. Und Sie kommen jetzt bitte mit.“
Ich folgte ihm also in einen der Räume der U-Bahn-Aufsicht. Der Polizist zeigte auf einen Tisch. Er forderte mich dazu auf, meine Sachen auszupacken. Aber ich weigerte mich. „Mit welchem Grund oder Verdacht wollen Sie mich denn durchsuchen?“ Der Polizist legte das gleiche verblüffte Gesicht auf wie davor, und fragte, warum ich meine Sachen nicht auspacken wolle, wenn ich nichts zu verbergen habe.
Meine Antwort war klar: „Weil ich es satt habe, nur wegen meines Aussehens aufgehalten und durchsucht zu werden.“ Nun stellte der Polizist mich vor die Wahl: Ich würde entweder meine Sachen auspacken, oder ich müsse mit auf die Wache. Ich sagte, dass ich nichts von beidem tun würde. „Ich habe Rechte und von diesen werde ich auch Gebrauch machen.“ entgegnete ich ihm. Seine ziemlich bezeichnende Antwort: „Du hast gerade gar keine Rechte.“ Spätestens jetzt bereute ich, dass ich kein Smartphone hatte, um die Unterhaltung aufzuzeichnen. Er sagte mir ein weiteres Mal, dass ich ihm folgen solle, und wir gingen gemeinsam in Richtung des Streifenwagens, der vor der U-Bahn-Station stand. Dort forderte er mich auf einzusteigen und mit zur Wache zu kommen. Ich fragte ihn, ob ich denn festgenommen sei. Er meinte: „Nein, bist du nicht.“ „Wenn ich nicht festgenommen bin, komme ich aber auch nirgendwo hin mit.“ Er forderte mich noch einmal auf mitzukommen und nicht unnötige Probleme zu machen.
Mir wurde immer klarer, dass der Mann, mit dem ich da sprach, nicht das geringste Verständnis dafür hatte, was mich störte. Ich fragte ihn daraufhin, wie er es finden würde, wenn er beispielsweise in Afrika leben und ständig wegen seiner Hautfarbe aufgehalten werden würde. Er meinte: „Ja, dann ist das halt so.“ „Aber das ist doch Rassismus!“ Er meinte wieder nur: „Ja, dann ist das halt so.“
Die Beamten, die sich vorhin um den anderen schwarzen Typen gekümmert hatten, kamen nun auch zu uns und fingen an, auf mich einzureden. Sie meinten, ich solle ihnen die Arbeit nicht schwer machen. Ich antwortete ihnen, dass sie viel eher mir das Leben schwer machten.
In der Höhle des Löwen
Wieder wurde ich aufgefordert, in den Wagen zu steigen. Wieder fragte ich, ob ich festgenommen sei. Und dieses Mal meinte der Polizist: „Ja, du bist festgenommen.“ Ich wollte wissen, aus welchem Grund. Er antwortete: „Paragraph 5.“ Da ich, wie die meisten Menschen, nicht das gesamte Strafgesetzbuch auswendig kenne, erkundigte ich mich, was denn „Paragraph 5“ überhaupt bedeute. Er meinte nur: „Paragraph 5.“ Es war sinnlos, mit diesem Mann zu sprechen.
Ich fragte mich noch, ob er mir wohl meine Rechte vorlesen würde. Tat er nicht. So stieg ich also in den Wagen und wir fuhren mit Blaulicht zu einer Wache im achten Bezirk. Als wir ankamen, hörte ich den Polizisten seinen Kollegen zuflüstern: „Der hat was einstecken.“ Ich musste lachen, weil ich wusste, dass das Blödsinn war. Gemeinsam gingen wir auf den Posten.
Der Posten fühlte sich für mich viel eher wie die Höhle des Löwen an. Aus allen Ecken kamen Beamte, die scheinbar nicht all zu viel zu tun hatten. Nach kurzer Zeit standen acht bis zehn Polizisten im Raum und die ganze Aufmerksamkeit war auf mich gerichtet. Ich versuchte mich davon nicht einschüchtern zu lassen und fragte den Polizisten, der mich „festgenommen“ hatte, um seine Dienstnummer. Er meinte: „Die bekommst du schon noch.“
Ein anderer Beamter kam zu mir und forderte mich auf, meine Taschen und meinen Rucksack zu leeren. Ich legte meinen Rucksack auf den Tisch und er durchsuchte ihn. Auch den Inhalt meiner Taschen legte ich auf den Tisch. Der Polizist forderte mich auf, ein benutztes Taschentuch zu entknäueln.
Natürlich fand er nichts. Nirgends. Dann sollte ich meine Schuhe ausziehen und mein Cap auf den Tisch legen. Ich machte nun einfach, was sie von mir wollten. Zwei Beamte gingen mit einem meiner Schuhe davon und verschwanden in einem anderen Raum. Ich sah sie noch an meinem Schuh riechen, worauf einer von ihnen meinte: „Boah, der stinkt.“ Zumindest das hat mich irgendwie amüsiert.
Herabwürdigendes Verhalten
Im Laufe des ganzen Prozedere sagte ich allen Anwesenden noch einmal meine Meinung. Nämlich, dass es eigentlich ihre Aufgabe sei, der Gesellschaft zu dienen und für Sicherheit zu sorgen, und nicht Menschen zu demütigen. Ein älterer Polizist entgegnete: „Ja, wenn ihr Gift verkauft“ und: „Warum lungerst du denn auch bei der Josefstädter Straße herum?“
Der Polizist, der vergebens meine Sachen durchsuchte, wurde nun cholerisch und fing an zu schreien, dass ich nach Cannabis stinken würde. Als ich mich auf den Tisch lehnte, der hinter mir stand, überkam den Beamten die Wut: „Setz dich nicht mit deinem dreckigen Arsch auf unseren Tisch! Hast du keine Erziehung genossen?!“ Ich versuchte ruhig zu bleiben und antwortete ihm, dass er die ganzen Aggressionen, die er mir entgegenbrachte, letztendlich nur auf sich selbst hätte. Irgendwie schien ich ihn damit am falschen Fuß erwischt zu haben. Er schrie noch lauter: „Ich habe keine Aggressionen!“ Als ich ihn aufforderte, mir mein Cap zurückzugeben, nachdem er es mit absurder Gründlichkeit durchsucht hatte, riss er es an sich und weigerte sich es mir wiederzugeben. Stattdessen forderte er mich auf, auch noch meinen Oberköper frei zu machen. Dann schaute er mich an und fragte mich auf eine absolut gehässige Art: „Und, sollen wir in die Unterhose auch noch reinschauen?“
Zumindest blieb es nur bei der Androhung. Da ich, wie anfangs schon erwähnt, meine Geldbörse nicht bei mir hatte, gab ich den Beamten meinen vollen Namen, Geburtsdatum, Adresse, alle wichtigen Informationen eben. Sie checkten meine Daten im Register und mussten feststellen, dass ich keinerlei Einträge hatte – ich schätze zu ihrer Verwunderung.
Ich fragte den Polizisten, der mich als erstes angesprochen hatte wieder nach seiner Dienstnummer, und diesmal ging er tatsächlich zu einem Schreibtisch und holte eine Karte, um sie mir aufzuschreiben. Der Polizist, der vorher geschrien hatte, meinte in sarkastischem Ton: „Gib ihm meine auch gleich!“ Ich erklärte ihm aber, dass er mich nicht interessiere. Als sie mir sagten, dass ich nun gehen dürfte, meinte er noch, dass ich trotzdem mit einer Anzeige rechnen könne.
Einige Wochen später bekam ich besagte Anzeige dann auch. Der angebliche Anzeige-Grund: „Aggressives Verhalten“. Dadurch hätte ich die Behinderung einer Amtshandlung verursacht. Ich soll 99 Euro Strafe zahlen – eigentlich wären es Hundert, aber da ich für eine halbe Stunde festgenommen wurde, und sich der Tatverdacht nicht bestätigt hat, wurde ein Euro als Gutmachungszahlung abgezogen. Genauere Schilderung gab es da keine. Ich legte Einspruch ein.
Aufgrund des Einspruchs mussten die Polizisten nun ihre Version der Geschehnisse darlegen. Wenig verwunderlich: Die Beamten erzählen die Geschichte komplett anders, als ich es gerade getan habe. Laut ihren Aussagen hätte ich lauthals geschrien und sie als Rassisten und Nazis beschimpft (habe ich nicht). Ich hätte gesagt, dass alle Polizisten gegen Menschen schwarzer Hautfarbe seien, wäre mehrmals direkt auf sie zugegangen und hätte versucht, einfach davon zu gehen (habe ich genau so wenig). Angeblich hätte ich deshalb sogar Aufsehen bei PassantInnen erregt und diese hätten begonnen, sich in die Amtshandlung einzumischen. Deshalb wäre die Festnahme nötig gewesen. Übrigens laut Paragraph 35/1, und nicht Paragraph 5. Ich kann nur wiederholen: All das stimmt nicht.
Das Absurdeste und Beleidigendste an der Anzeige ist aber jene Passage, in der argumentiert wird, warum ich überhaupt angehalten wurde: Laut den Aussagen der Polizisten war ich wegen meines äußeren Erscheinungsbildes klar der Suchtgift-Szene zuzuordnen – und zwar wegen „mangelnder Körperhygiene und schmutziger Kleidung“. Irgendwie finde ich es fast beschämend, dass ich es tatsächlich festhalten muss, aber ich mache es trotzdem: Ich war in keiner Weise auch nur annähernd dreckig oder unhygienisch.
Außerdem steht in der Anzeige, dass mir an dem Abend ein Durchsuchungsprotokoll vorgelegt wurde, ich aber die Unterschrift verweigert hätte. Auch das ist gelogen, mir wurde überhaupt kein Protokoll vorgelegt. Im März war ich vorgeladen, meine Sicht der Ereignisse zu schildern. Ganz ehrlich, ich habe nicht vor, diese 99 Euro unter irgendwelchen Umständen zu zahlen. Auch wenn mir bewusst ist, dass mein Wort gegen das von einem knappen Dutzend Polizisten stehen wird.
Der Nachdruck des Textes erscheint mit freundlicher Genehmigung des Vice Magazins. Der Gastbeitrag wurde unter einem Pseudonym veröffentlicht — der Name des Autors ist der Redaktion bekannt. Auf Nachfrage bei der Polizei-Pressestelle wurde Vice gesagt, dass die betroffene Person „im Zuge einer dort durchgeführten Schwerpunktaktion einer Personenkontrolle unterzogen“ worden sei. Ansonsten wurde nur die Version der Geschichte, die bereits aus der Anzeige bekannt war, wiederholt. Auf die Fragen, ob „unhygienisches Aussehen und dreckige Kleidung“ ein häufiger Grund für Anhaltungen oder Personaldaten-Feststellungen durch die Polizei sei, wie genau bei solchen Planquadraten bei der Auswahl der kontrollierten Personen vorgegangen werde und ob Beamte bei Planquadraten an der Josefstädter Straße auch nach äußeren Merkmalen wie der Hautfarbe selektieren, ist Pressesprecher Thomas Keiblinger nicht eingegangen.
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