„Rauswurf wegen Asylwerbern“
DOSSIER. Unlängst verbreitete FP-Chef Strache eine Falschmeldung der Krone: Mindestrentnerin muss wegen Asylwerbern Wohnung räumen. Welche staatlichen Zuwendungen erhalten diese beiden sozial schwachen Gruppen wirklich? Text: Nasila Berangy
Da hatte sich FPÖ Parteichef HeinzChristian Strache schlecht informiert, als er auf seiner Facebook Fanpage postete: „So wird mit unserer älteren Generation heute umgegangen... Schämt euch!“ Es ging um eine Mindestrentnerin in Salzburg, die laut Kronen Zeitung ihre Wohnung räumen musste, weil Asylwerber dort einzogen. Doch weder wurde die Salzburgerin delogiert, noch hätten AsylwerberInnen überhaupt Anspruch auf die so genannte Integrationswohnung. Und wieder wurde ein politisches Spiel bedient: die Ärmsten gegeneinander auszuspielen. Sozial gedacht wäre die Frage vielmehr: Was erhalten AsylwerberInnen und MindespensionistInnen also tatsächlich an finanzieller Unterstützung vom Staat? Und welche Ansprüche stehen ihnen zu? Die Arbeiterkammer und Volkshilfe in Oberösterreich haben es in drei Varianten ausgerechnet.
Variante 1
Eine Familie mit z.B. drei Kindern wird in einem Gasthaus oder Flüchtlingslager in einem Mehrpersonenzimmer untergebracht. Die UnterkunftsbetreiberInnen erhalten dafür 19 Euro pro Tag und pro Person. Dafür müssen Frühstück, Mittag- und Abendessen ausgegeben werden. An Bargeld erhält ein Mensch 40 Euro im Monat. Eine fünfköpfige Familie würde somit fünf Mal 40 Euro bekommen. Das ergäbe in Summe 200 Euro für diese große Familie. Fahrscheine, Hygieneartikel, Tampons und ähnliches müssen von diesem Geld selbst gekauft werden.
„Eine Inflationsanpassung ist im Grundversorgungsgesetz von 2004 nicht vorgesehen“, sagt Christian Schörkhuber von der Volkshilfe Oberösterreich. Weder beim Tagesgeld noch bei der Entlohnung der Flüchtlingsbetreuung, die mit 2.000 Euro brutto festgelegt ist. Ein Fixbetrag, der keine Lohnerhöhungen berücksichtigt.
Immerhin wurde 2013 der Tagessatz von 17 auf 19 Euro angehoben. Für Johannes Peyrl von der Abteilung Arbeitsmarkt und Integration der AK Wien liegt es auf der Hand, dass das nicht kostendeckend sein kann. Auch Andrea Toja, Leiterin der INTO Salzburg und Regionalvertreterin des Diakonie Flüchtlingsdienstes, hält mehr finanzielle Unterstützung für unumgänglich. Immer wieder gibt es Beschwerden über vor allem privat geführte Quartiere. In Zeiten, in denen jedes Bundesland zur Erfüllung der Quote angehalten wird, sei es aber schwer, Quartiere aufzulassen. Aktuell wird eine Erhöhung des Tagsatzes auf 21 Euro diskutiert. Dass es bislang zu keiner Anhebung kam, hängt auch mit der „komplizierten Vereinbarung zwischen dem Bund und den Ländern zusammen“ erklärt Schörkhuber. Es herrscht Einstimmigkeitsprinzip, Kärnten war bis vor den Wahlen dagegen.
Variante 2
AsylwerberInnen können aber auch ein so genanntes Selbstversorgungsquartier beziehen. Anstelle der Verköstigung wird ein monatliches Essensgeld von 165 Euro pro Erwachsenen und 121 Euro pro minderjährigem Kind ausbezahlt. Für die fünfköpfige Familie bedeutet das 693 Euro pro Monat. Auch hier sind Hygiene- u.a. Artikel selbst zu bezahlen. Bei beiden Varianten kommt eine Bekleidungshilfe von maximal 150 Euro pro Jahr dazu. Allerdings als Gutschrift für Second-Hand-Läden und nicht als Bargeld. Auch für den Schulbedarf gibt es einen kleinen Zuschuss: maximal 200 Euro pro Schuljahr. Die Betroffenen sehen das Geld aber nicht, es wird von der Schule verwaltet. Und auch Freizeitaktivitäten werden berücksichtigt: Dafür gibt es höchstens 10 Euro im Monat. Etwa, wenn Jugendliche sich beim örtlichen Fußballclub anmelden wollen.
Die Praxis, zweckgebundene Gutscheine statt Bargeld auszugeben, ist umstritten. Die Menschen sind damit fremdgesteuert und müssen mit ganz wenig Geld auskommen, kritisiert Toja. Dass die Schulen das Geld für Schulbedarf selbst verwalten, sieht Schörkhuber hingegen positiv. Diese erhielten bessere Konditionen bei größeren Bestellungen.
Dürften AsylweberInnen regulär arbeiten, gäbe es diese Diskussionen nicht. Im Winter stehen in manchen Gemeinden Hilfsarbeiterjobs wie die Schneeräumung offen, das Honorar: höchstens 110 Euro pro Monat. Da diese Jobmöglichkeiten beschränkt sind, wird darauf geachtet, dass pro Familie nur eine Person „zum Zug kommt“, das ergibt in der Praxis ein Taschengeld von ca. 50 Euro. Karitative Einrichtungen kooperieren zudem mit Paten und Patinnen. Schörkhuber: „Die Regel ist, dass Asylwerber mit dieser Gesetzeslage auf fremde Hilfe angewiesen sind“.
Variante 3
Eine Privatwohnung. Dabei erhält die fünfköpfige Familie pro Person einen maximalen Zuschuss von 240 Euro für die Miete und Betriebskosten, 200 Euro Essenszuschuss für Erwachsene und 90 Euro für Minderjährige. Das ergibt in Summe für fünf Leute 910 Euro. Davon müssen allerdings sämtliche Lebenserhaltungskosten bezahlt werden. Andere Zuschüsse gibt es in diesem Modell nicht. Fazit: Es ist kaum finanzierbar. Schörkhuber: „Viele innerhalb der Beamtenschaft hatten mit den Privatwohnungen überhaupt keine Freude und wollten diese stark einschränken. Eine Einschränkung erweist sich dabei als sehr wirksam: weniger Unterstützungen.“ In Frage kommt Variante 3 für die Wenigen, die Unterstützung von Dritten erhalten, also von Familienangehörigen oder PatInnen. Wer das nicht hat, muss in der „normalen“ Grundversorgung bleiben. Bei allen drei Modellen sind die Personen übrigens krankenversichert.
Mindestsicherung
Im Gegensatz zu AsylwerberInnen haben PensionistInnen oder arbeitslos gemeldete Personen Anspruch auf die Mindestsicherung. Eine Mindestpension gibt es in Österreich zwar nicht, aber „wenn die Pension auch nur um einen Euro unter diesem Betrag liegt, kann man eine Ausgleichszulage beantragen“, erklärt Peyrl. Weitere Einkünfte dürfen allerdings keine bezogen werden. Alleinstehende oder AlleinerzieherInnen erhalten 813,99 Euro. Paare erhalten pro Person 610,49 Euro und pro Kind noch einmal maximal 219,78 Euro. Für eine fünfköpfige Familie ergibt das in Summe 1.880,32 Euro. Das entspricht dem doppelten Wert der Flüchtlingsfamilie.
Dazu kommt die Familienbeihilfe, die pro Kind und Monat ab 109,70 Euro aufwärts bezahlt wird. Der Zuschuss erhöht sich mit dem Alter und der Anzahl der Kinder. Eltern, die Anspruch auf Familienbeihilfe haben (keine AsylwerberInnen), dürfen für maximal 30 Monate mit einem Kinderbetreuungsgeld rechnen. Ein Schulstartgeld von 100 Euro wird österreichweit ausbezahlt und automatisch überwiesen. NÖ, die Steiermark und Vorarlberg vergeben weitere Schulstarthilfe, Fonds für einen Heizkostenzuschuss, für Sozialhilfe, Wohnbeihilfe u.a. stehen offen. Nicht zu vergessen, der Mobilitätspass in Wien. Er steht BezieherInnen von Mindestsicherung zu. Öffentliche Verkehrsmittel können so günstig genutzt werden. AsylwerberInnen müssen hingegen oft ihr gesamtes Taschengeld für Fahrtkosten ausgeben.
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