Notruf für Flüchtlinge in Seenot
WATCHTHEMED.NET. Ein Netzwerk internationaler MenschenrechtsaktivistInnen will mit einem Alarmphone Bootsflüchtlingen helfen, die im Mittelmeer in Seenot geraten sind.
Text: „Watch the med alarm phone“ gruppe wien
Die Meldungen über gekenterte Flüchtlingsboote kommen so regelmäßig, dass die Zahlen mittlerweile schal wirken. 160 Tote? 300? 34? Es fällt schwer, dazu noch Emotionen zu entwickeln. Der 3. Oktober 2014 wurde als Gedenktag begangen, ein Jahr zuvor waren 368 Menschen bei einem Schiffsunglück kurz vor Lampedusa ums Leben gekommen. Das wäre mit einem Rettungseinsatz zu verhindern gewesen. Oder mit einer anderen Migrationspolitik.
Watch the Phone
Wir haben genug davon, im Nachhinein zu trauern, im Nachhinein anzuklagen, zu sagen, dass etwas nie wieder passieren soll, auf dessen Wiederkehr wir uns politisch aber verlassen können. Um dem Sterben etwas Handfestes entgegenzusetzen, haben wir als Netzwerk von MenschenrechtsaktivistInnen aus Wien, Tunis, Athen, Palermo und vielen weiteren Städten Europas und Nordafrikas daher ein internationales Notruftelefon für Bootsflüchtlinge am Mittelmeer eingerichtet. Das „Watch the Med Alarm Phone“ ist rund um die Uhr besetzt und wird von mehrsprachigen Teams betreut. Wenn MigrantInnen/Flüchtlinge in Not diese Nummer anrufen, leiten wir ihren Notruf so schnell wie möglich an die zuständige Küstenwache weiter und gleichzeitig dokumentieren wir, ob und wie schnell ihnen geholfen wird.
Lippenbekenntnisse?
Seit Anfang des Jahres 2014 starben bereits mehr als 3.000 Menschen beim Versuch, das Meer, sei es von Marokko nach Spanien, von Tunesien oder Libyen nach Italien oder von der Türkei auf die griechischen Inseln zu überqueren. Einen „Wendepunkt für die europäische Flüchtlingspolitik“ forderte Martin Schulz, Präsident des Europaparlaments im Oktober letzten Jahres, anlässlich des Schiffunglücks vor Lampedusa. Dieser Wendepunkt ist aber nicht in Sicht. Ein Jahr später fand sich Schulz wieder zu den Trauerfeierlichkeiten auf Lampedusa ein. Und wieder sprach er von der dringlichen Notwendigkeit, das Sterben zu stoppen, doch die Politik geht unverändert weiter. Lippenbekenntnisse also?
Leben retten
Wir möchten mit dem Notruftelefon jedenfalls mitwirken, Leben zu retten, aber wir möchten auch zu einem gesellschaftlichen Einverständnis darüber beitragen, dass das Grenzregime, das wir gerade erleben, zu einem schnellen Ende kommen muss. Indem allen Menschen letztendlich der individuelle Drang oder die lebensrettende Notwendigkeit zugestanden wird, sich ungehindert von einem Ort zum anderen zu bewegen, wird mit einem Schlag ein ganzer Haufen an Problemen gelöst werden. Das größte davon ist der Verlust von Menschenleben. Ein anderes, dass politische Grenzen profitabel sind, so lange sie geschlossen bleiben – für „SchlepperInnen“ genauso wie für Grenzschutzagenturen.
Kontakt: [email protected]
Unterstützungserklärungen für das „Watch the Med Alarm Phone“ sind weiterhin erwünscht. Auf der Website watchthemed.net ist der Aufruf nachzulesen. Dort finden sich auch Informationen zum Watch the Med-Spendenkonto.
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