Neues von der Bock
RUBRIKEN. Von ihr kann man alles haben, nur kein Nein. Die Flüchtlingshelferin Ute Bock ist im wahrsten Sinn grenzenlos. Ihre Sozialarbeit: der ganz normale Wahnsinn. Alltag in Wien.
Aufgezeichnet von Gunnar Landsgesell
Weil er so ein guter Arbeiter ist
Viktor ist seit 15 Jahren bei mir, hat schon lange einen legalen Aufenthalt, hat eine Wohnung, geht arbeiten. Er muss aber jedes Jahr 4 Monate aussetzen, für die Zeit muss er sich das Geld immer zsammsparen, dass sich das ausgeht. Das ist eine Bestimmung, dass die Zugewanderten „unseren Leuten“ nicht die Arbeitsplätze wegnehmen. Der Viktor hat lange ein vorübergehendes Bleiberecht gehabt. Wahrscheinlich weil er so ein guter Arbeiter ist, hat ihn der Arbeitgeber immer wieder genommen, oder? In Schwechat am Flughafen in einer Kantine. Jedenfalls hat er jetzt um die Staatsbürgerschaft angesucht, und was macht er? Er fährt nach Deutschland und nach England zu den Verwandten, und schaut, wie es denen geht. 14 Tage war er weg. Daraufhin sagt ihm das Amt, er kriegt die Staatsbürgerschaft nicht, weil er hat woanders gelebt, er darf das Land in den vier Monaten nicht verlassen. Und jetzt muss er noch einmal von vorn anfangen Aber der war zwei Wochen seine Verwandten besuchen, der hat nirgendwo anders gelebt. So drangsaliert man die Leute. Das Nächste ist, was die Staatsbürgerschaft kostet. Dafür muss er 1.400 Euro hinlegen, sonst kriegt er sie nicht. Am Amt haben sie ihm einen Tag genannt, da muss er das Geld mithaben. Wenn er es an dem Tag nicht hat, kriegt er sie nicht. Ich war nah dran, anzurufen und zu sagen: Horchen S’, und wenn er das Geld mithat, dann sperren Sie ihn gleich ein, weil dann hat er es sicher gestohlen. Was ist das für ein Umgang mit den Leuten? Die machen denen was zufleiß, wo’s geht.
Leumundszeugnis für Zehnjährige
Ich hab eine armenische Familie mit 3 Kindern, die sind auch schon ewig in Österreich. Die kriegen jetzt ein Aufenthaltsvisum, die Frau kann arbeiten gehen, passt alles. Aber die MA 35 will für die Tochter, die zehn Jahre alt war, wie sie von Armenien weggegangen sind, ein Leumundszeugnis. Ich frag Sie, was soll denn da drinstehen? Dass sie das Tintenfass ausgetrunken hat in der Schule? Jetzt muss die Mutter zur russischen Botschaft gehen, dort 50 Euro zahlen, damit sie das kriegt. Ist das ein Schwachsinn, bitte? Wofür brauchen die ein Leumundszeugnis für ein Kind? Mir ist so was noch nicht untergekommen, aber die erfinden immer neue Sachen. Das ganze Visum hat Länge mal Breite gekostet, für fünf Personen, das können Sie sich nicht vorstellen. Wenn ich das nicht unterstütz’, dann kriegen die das nie. Zuerst lässt man die Leut’ nicht arbeiten, dann sollen sie das alles zahlen. Erst muss die Frau einen Deutschkurs machen, den muss sie zahlen. Dann die Prüfung, die muss sie auch zahlen. Jedes Papierl muss übersetzt, beglaubigt und bezahlt werden. Allein der Antrag kostet schon 120 Euro. Die Zeugnisse von den Kindern, weil das ist ja auch ein Grund, warum sie das Visum kriegt. Weil die Kinder einen guten Schulerfolg haben. Das ist ja der Beweis, dass sie integriert sind. Da muss die Frau Befürwortungen von irgendwelchen Stellen mitbringen, dass die Kinder sich das verdient haben. Ist das nicht ein Schwachsinn? Jeder weiß, dass da irgendwas drinsteht, weil wenn jemand reinschreibt, die Kinder haben mich jeden Tag geschimpft und der Vater war jeden Tag besoffen, dann wird sich die Befürwortung niemand abholen (lacht). Also, das ist doch Schwachsinn pur.
Dann aber doch...
Was wurde schließlich aus der Staatsbürgerschaft von Viktor? Ich hab einen Anwalt bezahlt, der das mit den 14 Tagen angefochten hat. Dann hat er sie eh bekommen. Aber stellen Sie sich vor, der rennt nicht mir übern Weg ...
Die Redaktion wünscht Frau Bock alles Gute auf ihrem Weg der Genesung.
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