Ein gleichwertiger Mensch
DOSSIER. Seit zwei Jahren versucht Nisar Ali Khan zu beweisen, dass er ein Recht auf Asyl hat. Er wünscht sich mehr Verständnis für die Situation von Flüchtlingen.
Refugees | Kommentar: Nisar Ali Khan
Als klar wurde, dass ich Pakistan verlassen muss, habe ich mich erkundigt, was die beste und sicherste Möglichkeit für mich wäre. Ich habe von vielen Seiten gehört, dass in Europa die Menschenrechte geachtet würden und ich mir dort eine sichere Existenz aufbauen könnte. Manche Leute haben mir zwar gesagt, dass nicht alles, was ich in den Medien über Europa erfahren habe, stimmt. Aber auch wenn mir das jemand genauer erklärt hätte, hätte ich das damals nicht wirklich verstehen können. Ich wusste nichts von Abschiebungen und von der Dublin-2-Verordnung. Ich dachte, dass ich in Europa ein Leben ohne Gefahren habe und dass ich hier studieren und arbeiten kann. Allerdings haben sich meine Erwartungen nicht erfüllt. Die Realität sieht so aus, dass ich ständig mit neuen Problemen konfrontiert werde, dass ich mir nicht aussuchen darf, wo ich wohne, und dass ich nicht arbeiten darf. Das macht mich oft traurig. Ich fühle mich hier wie in einem Gefängnis. In den Lagern müssen wir Bescheid geben, wenn wir sie verlassen und wenn wir zurückkommen. Ständig werden wir kontrolliert, und wir müssen wegen allem um Erlaubnis fragen.
Seit zwei Jahren versuche ich zu beweisen, dass ich das Recht auf Asyl habe. Aber es wird mir nicht geglaubt, weil ich Pakistani bin. Das gibt mir das Gefühl, nicht als gleichwertiger Mensch mit dem Anspruch auf Erfüllung meiner Rechte wahrgenommen zu werden.
Manchmal bereue ich es, nach Europa gekommen zu sein, da es sich so anfühlt, als hätte sich meine Situation weiter verschlechtert. Ich vermisse mein Heimatland, aber aufgrund der gefährlichen Situation vor Ort in Pakistan ist es für mich unmöglich, zurückzukehren. Es macht keinen Sinn, darüber nachzudenken, das macht mich nur unglücklich.
Wenn ich höre, dass Menschen sagen, wenn es uns Flüchtlingen in Österreich nicht gefällt, können wir ja jederzeit zurückgehen, dann ist das sehr traurig für mich. Es gibt mir das Gefühl, nicht als Mensch gesehen zu werden. Würden wir mehr verlangen als das, was ÖsterreicherInnen bekommen, würde ich es verstehen, dass uns manche nicht hier haben wollen. Würden wir nur 50 Prozent dessen, was ÖsterreicherInnen erhalten, bekommen, wären wir schon glücklich. Wir wären sogar sehr glücklich. Wenn einem Österreicher oder einer Österreicherin Unrecht widerfährt, gibt es viele Leute, die sich für diese Person einsetzen. Wenn wir Flüchtlinge grundlegende Menschenrechte wie das Recht auf Bildung oder das Recht auf adäquate Lebensbedingungen fordern, dann wird das hier nicht gern gesehen. Das ist ungerecht, denn ich denke, das Wichtigste im Leben ist es doch, einen Platz zu haben, an dem man sich wohl und sicher fühlt; und dass man arbeitet und studiert, um sich eine Existenz aufbauen zu können. Aber ich darf das hier nicht.
Ich habe aber auch sehr viele positive Erfahrungen mit ÖsterreicherInnen gemacht. Unser Problem ist das politische System hier und natürlich auch die Menschen, die diese Gesetze gemacht haben und sie unterstützen. Aber ich habe nach wie vor die Hoffnung, dass sich dieses System ändern wird. Ohne diese Hoffnung hätte ich nichts mehr.
Ich wünschte, die Leute würden verstehen, dass wir Flüchtlinge auch Menschen sind und die gleichen Bedürfnisse wie EuropäerInnen haben. Das ist nicht nur deren Welt, das ist auch unsere Welt. Solange ich kein Asyl erhalten habe und nicht weiß, ob ich hierbleiben darf, ist es für mich unmöglich, über die Zukunft nachzudenken. Was ich mir wünsche, ist ein sicheres Leben. Das bedeutet für mich, frei zu sein und mich nicht wie in einem Gefängnis zu fühlen. Ein gutes Leben wäre für mich, arbeiten zu dürfen, damit ich Geld verdienen kann und mir eine eigene Wohnung leisten und somit ein Leben aufbauen kann. Mein größter Wunsch ist es, hierbleiben zu dürfen.
ZUR PERSON
Nisar Ali Khan
Nisar Ali Khan, 22 Jahre, kommt aus der Region Khyber Pakhtunkhwa in Pakistan, wo er noch vor seinem College-Abschluss im November 2011 die Flucht angetreten hat. Er befindet sich seit zwei Jahren in Österreich.
Übersetzung: Magdalena Summereder