Roboter auf Flüchtlingsjagd
DOSSIER. In Zukunft könnte Asylsuchenden ein Robo-Cop an der EU-Außengrenze „Stop!“ gebieten. Die Grenzschutzagentur Frontex soll aufgerüstet werden.
Text: Gerfried Balzer
Die europäische Außengrenze wird gegen Asylsuchende nicht genügend abgesichert. Das findet auch Österreichs Innenministerin, die vor zwei Jahren im Vorfeld eines EU-Innenministerrats meinte, die griechische Grenze sei „offen wie ein Scheunentor“. Seit Jahren arbeitet die EU-Kommission daran, die Außengrenzen der EU so dicht wie möglich abzuschließen. Obwohl jährlich 85 Millionen Euro für die umstrittene Grenzschutzagentur Frontex aufgebracht werden, haben sich im vergangenen Jahr die Grenzübertritte dennoch fast verdoppelt. Das hat auch mit dem Bürgerkrieg in Syrien zu tun. Das „Scheunentor“ Griechenland wurde mittlerweile durch Grenzzäune und den massiven Ausbau des Grenzregimes geschlossen, für viele Flüchtlinge wurden nunmehr Lampedusa und Sizilien zu den wichtigsten Anlaufhäfen. Auch Bulgarien bietet Asylsuchenden offenbar eine Möglichkeit, in die Festung Europa zu gelangen, die Zahl dort ankommender Menschen soll um 600 Prozent gestiegen sein.
Um die EU dichtzumachen, will die Kommission nun Frontex stärker mit dem Militär verknüpfen. Die Grenzagentur soll die Möglichkeit erhalten, bei verstärktem Flüchtlingsaufkommen Militärflugzeuge, Militärschiffe und Drohnen anzufordern, um Boote mit Menschen aufzuspüren. Linke EU-Abgeordnete sprechen von einer Militarisierung der Flüchtlingspolitik, in der die Flüchtlingsabwehr zum Programm werde. Tatsächlich zählte Frontex bei seiner Gründung 2005 gerade 20 Beamte, nun sind Hunderte Grenzschützer im Einsatz. Und die florierende EU-Agentur soll weiter wachsen. Bereits jetzt wird auf Hightech-Gerätschaft wie Drohnen und spezialisierte kleine Roboter gesetzt. Ein nächster Schritt soll die Verstärkung durch vollautomatische Roboter sein, die in den Grenzgebieten patrouillieren. BeamtInnen sollen sie von ihren Büros aus steuern, die Roboter, die mit Kameras, Wärmesensoren, Nachtsichtgeräten u. a. ausgestattet sind, machen dann Jagd auf Flüchtlinge.
Freund oder Feind
„Talos“ nennt sich ein Grenzrobotersystem, das seit einigen Jahren in Polen entwickelt wird. 20 Millionen Euro hat die EU investiert, in Zukunft sollen unbemannte Fahrzeuge, mit Überwachungskameras und Radar ausgestattet, von einer Kontrollstation aus durch BeamtInnen gesteuert werden. Der Name wurde aus der griechischen Mythologie entliehen. Talos war ein bronzener Riese, den Zeus der Europa schenkte, auf dass er die Insel Kreta vor Feinden bewachte. Wer ihm zu nahe kam, den verbrannte Talos einfach. Der Anspruch der EU-Grenzschützer ist immerhin, dass die ferngesteuerten Geräte erkennen sollen, ob es sich „um Freund oder Feind“ handelt, wie der Talos-Projektleiter Mariusz Andrzejczak es ausdrückt. Über Lautsprecher erhalten die „Feinde“ dann Kommandos. Sie, die Flüchtlinge, erhalten den Befehl, stehen zu bleiben und zu warten, bis die Beamtenpatrouille eintrifft. Wer das nicht befolgt, wird vom Roboter verfolgt. Bewaffnet soll der Roboter nicht sein. Möglich wäre das aber, räumt Andrzejczak ein. Natürlich habe man sich Gedanken über die ethische Frage gemacht. Schließlich gehe es um Flüchtlinge. Aber, so der Talos-Mann weiter, es könnten ja auch Terroristen sein. Man wisse nie. Bei Talos fand man durchaus Gefallen daran, die zwei Testgeräte, die es bislang gibt, auch zu bewaffnen. Mit nichtödlichen Waffen, wie ein Talos-Mitarbeiter betont. Die EU-Finanziers stellten sich aber als Spielverderber heraus. Man beschied den eifrigen Avantgarde-Grenzschützern, dass das in der Testphase keine gute Idee sei. Bei Talos zeigte man sich dennoch zuversichtlich – sobald die reguläre Produktion anlaufe und konkrete Auftraggeber feststünden, könne man auch die Bewaffnung der Roboter gewährleisten. Ob Talos doch noch in Serie geht oder nicht – die EU beweist mit diesem Testprojekt jedenfalls, dass sie nicht bereit ist, den Trend zum Roboter zu verschlafen. Während in die Entwicklung autonomer Robotersysteme weltweit Milliardenbeträge fließen, probiert man kleine Robocops an der Grenze zu Mexiko bereits aus. Bleibt die EU wachsam, darf sich Frontex auf Verstärkung freuen.