Neues von der Bock
RUBRIKEN. Von ihr kann man alles haben, nur kein Nein. Die Flüchtlingshelferin Ute Bock ist im wahrsten Sinn grenzenlos. Ihre Sozialarbeit: der ganz normale Wahnsinn. Alltag in Wien.
Aufgezeichnet von Gunnar Landsgesell
Das ist schwach...
Also wenn einer den zweiten Asylantrag stellt, dann nimmt ihn Traiskirchen nicht mehr auf. Man darf zwar einen Folgeantrag stellen, aber untergebracht wird man da schon nicht mehr. Ja, wo geht der dann hin? Regelung gibt es ja keine, für die Leute ist nichts vorgesehen. Das ist bitteschön falsch. Wenn ich mich so fürcht’ vor den bösen Ausländern, dann möchte ich doch wissen, wie er heißt, was er macht, wo er wohnt, von was er lebt. Aber den dann einfach so auf die Straße zu stellen und zu hoffen, dass ihn wer ernährt, das ist schwach...Das ist in ganz Österreich so. In Bad Kreuzen kriegt ein Mann den zweiten negativen Bescheid, daraufhin sagt ihm die Beamtin: Zu Ihnen kommt dann die Fremdenpolizei, und dann drückt sie ihm meine Adresse in die Hand. So schaut’s aus. Am Sonntag ist einmal ein Ehepaar von Bad Kreuzen zu mir gekommen, ich sag zu denen: Hean S’, heut’ ist Sonntag, ich kann nirgends eine Stelle anrufen, es ist ja niemand da. Daraufhin entschuldigt sich der Mann und sagt, er hätte nicht gleich hergefunden. Er wäre eh gestern schon dagewesen. Bitte, der hat geglaubt, er muss zu mir herkommen. Ich halte diese Praxis, die Leute wohin zu schicken, wirklich für eine Frechheit.
Die „Traun-Liste“
Wie das in den privaten Pensionen ist? Na, genau so. Wenn jemand einen negativen Bescheid bekommt, dann wird er hinaus geschmissen. Man setzt die Leute vor die Tür. Außer, er ist wieder im Verfahren. Im Innenministerium gibt es die Traun-Liste, ich weiß nicht, ob Sie das kennen. Traun, so wie der Fluss, ist aber nach dem Beamten benannt. Der versucht dann auf dem Gnadenweg jemand irgendwo unterzubringen. Die Liste führt die Caritas in der Mariannengasse, aber das dauert halt ewig, bis die einen Platz finden. Dann kann derjenige wieder untergebracht werden. Man muss halt wieder einen Platz in einer Pension oder sonstwas finden. So ist das geregelt. Der Pensionsbetreiber ist ja bei einem negativen Bescheid verpflichtet, die Menschen vor die Tür zu setzen. Weil der kriegt ja dann gleich wieder neue Leute zu gewiesen.
Freche Rechnung
Es gibt aber auch solche Fälle: In Oberösterreich hab ich einen Fall gehabt, da haben sie den Vater rausgehaut und die Mutter und das Kind in der Pension gelassen. Das muss man sich auch einmal vorstellen. Der Mann ist dann in Niederösterreich in ein Spital gegangen, weil er noch dazu krank war, und ich krieg die Rechnung. Wie kommen die im Spital bitte dazu, zu glauben, dass ich seine Spitalsrechnung zahl’? Lauter solche Sachen …
Arbeit...?
Zu mir sind einmal ein paar Afrikaner gekommen, junge Burschen, aus Italien. Die haben dort keine Möglichkeit, zu existieren. Die kriegen kein Geld, die dürfen nicht arbeiten, deswegen gehen sie, weil sie sich einbilden, dass es woanders besser ist. Sie glauben, dass sie hier arbeiten können. Und die wollen auch, bitte. Sie sehen ja, wie immer wieder Leut’ zu mir ins Büro kommen und nach Arbeit fragen. Was soll ich machen? Jedenfalls versuch ich, dass solche Leute wie die Afrikaner wieder ins Verfahren kommen. Dass sich ein Rechtsanwalt anschaut, ob man was machen kann. Dass man sie wo unterbringt. Und im schlimmsten Fall, dass man sie dorthin schickt, wo sie hergekommen sind. Weil wenn sie bei uns kein Verfahren kriegen, dann müssen sie leider wieder zurück, nach Italien, Griechenland.
Frau Bock liegt nach einem Schlaganfall im Krankenhaus. Die Redaktion wünscht ihr alles Gute und baldige Genesung!