Asylverfahren und Arbeitsmarktzugang neu regeln
RUBRIKEN. Derzeit ist der Arbeitszugang für Asylsuchende auf wenige Saisonbranchen und auf einen Zugang erst ab dem 4. Monat eingeschränkt. Ist diese Regelung wirklich die optimale Lösung?
ANDERE ÜBER...: Ein Kommentar von Johannes Kopf
„Zwei Seelen wohnen ach in meiner Brust!“ Wie Goethes Faust ergeht es wohl vielen von uns, die ernsthaft über einen sofortigen und freien Arbeitsmarktzugang für Asylsuchende nachdenken. Denn einerseits sagt doch der Hausverstand ganz klar: „Wenn diese Menschen schon da sind und versorgt werden müssen, warum sollen sie sich ihr Geld dann nicht auch selbst verdienen dürfen?“ Das überzeugt wohl auch die 64 Prozent der ÖsterreicherInnen, die sich laut einer 2013 im Auftrag von „profil“ durchgeführten Karmasin-Umfrage für einen Arbeitsmarktzugang von Asylsuchenden aussprechen. Andererseits aber fürchten viele wohl zu Recht, dass die Möglichkeit auf zumindest zeitlich begrenzte Arbeit in Österreich einen deutlichen Zustrom an Zuwanderern aus allen möglichen Ländern (eine Art „Pull-Effekt“), auch ohne konkrete Aussicht auf Asyl, auslösen könnte. Und außerdem: Unzählige Beispiele belegen, dass nach einem rechtskräftig negativen Gerichtsentscheid die fremdenpolizeilichen Organe des Innenministeriums oft an der faktischen Rechtsdurchsetzung – also Abschiebung – scheitern, wenn der/die Betroffene bereits besser integriert ist, einen Arbeitsplatz und vielleicht sogar einen „wehrhaften“ Arbeitgeber hat.
Natürlich ist sich auch die Politik dieser Problematik bewusst. Und so schränkt Österreich derzeit den Arbeitszugang für Asylsuchende auf wenige Saisonbranchen und auf einen Zugang erst ab dem 4. Monat ein. Doch ist diese Regelung wirklich die optimale Lösung?
Auch wenn es für mich wie für jeden von uns in vielen Fällen gute humanitäre Gründe gibt, denen, die unsere Hilfe brauchen, auch konkret zu helfen, so halte ich es für sinnvoll, eine rechtliche Lösung zu suchen, die einen möglichst optimalen Interessenausgleich zwischen fremdenpolizeilichen und arbeitsmarktpolitischen Zielen bietet. Dabei ist zu bedenken, dass die Arbeitsmarktintegration einer Person, die nach oft jahrelangem Verfahren letztlich in Österreich bleiben darf, überaus schwierig ist. Denn diese Personen starten in ihr neues Leben bereits mit all den negativen Folgen von Langzeitarbeitslosigkeit: Die erlernte Qualifikation ist veraltet, das Selbstvertrauen und die Motivation sind geschwunden, die Arbeitsstruktur verlernt und auch Arbeitgeber beschäftigen Menschen, die schon lange beschäftigungslos sind, nicht gern.
Aus solch vielfältigen Erfahrungen trete ich daher für einen freien Arbeitsmarktzugang für Asylsuchende ein, der zeitlich variabel gestaltet ist, frühestens ab dem 4. Monat (notwendiger Schutz vor „Pull-Effekt“, Zulassungsverfahren abgeschlossen), und von der statistisch beurteilten Erfolgswahrscheinlichkeit eines dauerhaften Aufenthaltsrechtes abhängig gemacht wird. Denn es zeigt etwa die Asylstatistik des BMI vom Dezember 2013 für Staatsangehörige von Syrien 76 Prozent positive Entscheidungen, für Menschen aus Pakistan dagegen nur zwei. Hier etwa könnte generell im Sinne einer Optimierung von arbeitsmarktpolitischen und fremdenpolizeilichen Interessen durchaus ungleich vorgegangen werden, dieser Unterschied ließe sich meines Erachtens auch sachlich begründen. Wenn also aktuell klar ist, dass die überwiegende Mehrheit von Asylsuchenden aus Syrien tatsächlich bei uns bleiben wird, so sollte diesen der freie Zugang zum Arbeitsmarkt rasch ermöglicht und sogar unterstützt werden.
Allein dieses eine Beispiel zeigt, wie sinnvoll eine Optimierung der derzeitigen Rechtslage wäre. Doch nicht nur hier. Denn das gilt für fast alle Fälle: Bei langer Verfahrensdauer steigt auch für weniger aussichtsreiche Asylanträge statistisch die Wahrscheinlichkeit, doch dauerhaft hier bleiben zu dürfen, aus welchem Titel auch immer. Deshalb könnte z. B. in einer Verordnung des Arbeitsministeriums der Zeitpunkt eines freien Arbeitsmarktzugangs neu und differenziert geregelt werden.
ZUR PERSON
Johannes Kopf
Johannes Kopf, geboren 1973 in Wien, ist seit 2006 Vorstand des Arbeitsmarktservice Österreich. Zuvor war er Referent der Industriellenvereinigung mit Schwerpunkt Arbeitsmarktpolitik sowie im Kabinett von Wirtschaftsminister Martin Bartenstein tätig.
Der Kommentar entspricht der privaten Meinung des Autors.