Migration: falscher Hintergrund
Der von Integrations-Staatssekretär Kurz durchgesetzte „AMS-Migrantenindex“ zeigt, wie schmal der Grat zwischen Förderung und neuer Diskriminierung ist. Kommentar: Alexander Pollak
Mit 1. Jänner ist er in Kraft getreten, der „AMS-Migrantenindex“. Integrationsstaatsekretär Sebastian Kurz möchte mit dem „Index“ eine gezielte Betreuung von Arbeitssuchenden MigrantInnen ermöglichen. Denn, so fragt sich Kurz in einer Aussendung: „Wie soll man Migranten beim AMS betreuen, wenn man nicht weiß, wer ein Migrant ist?“
Man ist geneigt, zurück zu fragen: Wie wurden MigrantInnen denn bisher vom Arbeitsmarktservice betreut? Beate Sprenger, zuständig für Öffentlichkeitsarbeit beim AMS, erklärt, was es mit dem Index wirklich auf sich hat: „Bisher wurde vom AMS nur die Staatsbürgerschaft von Arbeitssuchenden erfasst. Von nun an wird es möglich, Versicherungsdaten so miteinander zu verknüpfen, dass wir auch feststellen können, wer einen Staatsbürgerschaftswechsel hinter sich hat.“
Das heißt im Klartext: Alle, die eine nicht-österreichische Staatsbürgerschaft besitzen, die einen Staatsbürgerschaftswechsel hinter sich haben oder bei einer solchen Person mitversichert waren, gelten für das AMS als „Personen mit Migrationshintergrund“. Die Meinung der Betroffenen dazu ist nicht gefragt. Sprenger betont, dass alle, denen ein Migrationshintergrund zugeschrieben wird, automatisch einen leichteren Zugang zu Eingliederungsbeihilfen und Kursangeboten erhalten: „Wir gehen davon aus, dass man als Person mit Migrationshintergrund einen Wettbewerbsnachteil hat, der ausgeglichen werden muss.“
Dass Arbeitssuchende erstmals allein aufgrund ihrer Herkunftsgeschichte gefördert werden sollen, ist Neuland in der österreichischen Arbeitsmarktpolitik. Eine intensivere Betreuung wird ansonsten nur schwer vermittelbaren Personen zuteil. Wie groß der tatsächliche Nutzen der Förderung für die Betroffenen ist, lässt sich vorerst schwer abschätzen, klar ist jedoch, dass die Sache einen Haken hat: Mit dem „AMS-Migrantenindex“ wird der „Migrationshintergrund“ hochoffiziell zum „Problemhintergrund“ erklärt.
Hintergründe verschleiert
Um die Frage, welche Auswirkungen es hat, wenn Menschen allein aufgrund ihres Geburtsorts oder dem ihrer Eltern als problembehaftet gelten, scheint sich niemand zu kümmern. Offen ist auch, ob nicht eines Tages die Daten, die das AMS über diese „Problemfälle“ sammelt, gegen die betroffenen Menschen verwendet werden.
Doch der Integrationsstaatsekretär und auch der Sozialminister wiegeln ab. Für sie ist „Migrationshintergrund“ ein nicht zu hinterfragendes Zauberwort, das es ermöglicht, anhand eines einzigen – in Wahrheit nichts sagenden – Parameters, eine Problemgruppe einzugrenzen. Damit ersparen sie sich die Mühe, im Detail zu eruieren, welche Umstände es tatsächlich schwer machen, in Österreich ins Erwerbsleben einzusteigen und sich dort zu halten.
Haben etwa Menschen mit einem bestimmten Sprachkenntnishintergrund Probleme? Scheitern Menschen an ihrem schwachen Mathematikhintergrund? Führt vielleicht ein nicht-österreichischer Ausbildungshintergrund zu Schwierigkeiten? Schafft ein schwacher Ressourcenhintergrund einen unaufholbaren Wettbewerbsnachteil? Fehlt es am nötigen Netzwerkhintergrund? Oder wirkt der Diskriminierungshintergrund von Politik, Behörden und ArbeitgeberInnen nachhaltig blockierend?
All diese Hintergründe und noch viele mehr sind deutlich wichtiger als der „Migrationshintergrund“ einer Person. Die Fokussierung jedoch auf genau jenen Hintergrund, der die schwächste Aussagekraft hat, führt dazu, dass in der österreichischen Politik der Grat zwischen Förderung und neuer Diskriminierung ein äußerst schmaler ist.