Per Gesetz zum Nichtstun verurteilt
Asylsuchende leben in Österreich praktisch unter Arbeitsverbot. Der Staat erlaubt nur wenige Ausnahmen, Prostitution und Erntehilfe sind zwei davon. Wovon leben also Menschen mitunter Jahre lang?
Text: Niko Katsivelaris, Fotos: Karin Wasner
2005 kam Elina* im Alter von 25 Jahren nach Österreich und suchte um Asyl an. In Polen und Tschechien hatte sie es vergeblich versucht. Zwei Jahre dauerte allein die Überprüfung der Zuständigkeit Österreichs. Legal arbeiten durfte Elina in dieser Zeit nicht. Sie begab sich trotzdem auf Arbeitssuche – illegal: „Mein erster Job war der einer Babysitterin, für drei Euro die Stunde“, erzählt Elina, die in ihrer Heimat ein Universitätsstudium absolviert hat. 2007, als sie schon zum inhaltlichen Verfahren zugelassen war, jobbte Elina zunächst weiterhin illegal – diesmal als Haushaltshilfe.
Bei zwei Familien hatte sie Glück: Sie bekam zehn Euro die Stunde und „sehr viel moralische Unterstützung“, wie sie hervorhebt. Diese Unterstützung durch engagierte Einzelpersonen hatte sie auch nötig: AsylwerberInnen wie Elina haben es auf dem österreichischen Arbeitsmarkt denkbar schwer, sind sie doch von diesem praktisch ausgeschlossen. Zumindest solange das Zulassungsverfahren noch andauert. Aber auch für die Dauer des inhaltlichen Verfahrens, das Jahre dauern kann, gibt es kaum Chance auf eine Beschäftigungsbewilligung. Jene Bereiche, in denen der Gesetzgeber Arbeit zulässt, klingen fast wie ein Hohn: Die Leute dürfen sich als Ernte- und SaisonarbeiterInnen, als ZeitungsausträgerInnen, als SchneeräumerInnen bei der MA48 zu Mindeststundensätzen verdingen. Oder auch als „neue Selbstständige“, etwa in der Sexarbeit. Im Falle einer Inhaftierung bleibt die Arbeit im Gefängnis. Eine besondere Nische, die auch während des Zulassungsverfahrens besteht: die gemeinnützige Tätigkeit. Für das absolute Gros der Leute aber gilt: Wer nicht arbeiten darf, ist von staatlicher Versorgung abhängig. Die nennt sich im Fall asylsuchender Menschen Grundversorgung und macht einen Bruchteil der bedarfsorientierten Mindestsicherung aus.
„Rückkehrverbot“ bei illegaler Tätigkeit
Elina gehörte zu jenen „Fällen“, in denen das Zulassungsverfahren besonders lange dauerte. Margit Ammer vom Ludwig Boltzmann Institut für Menschenrechte dazu: „Während des Zulassungsverfahrens und weitere drei Monate danach sind AsylwerberInnen rechtlich vom Arbeitsmarkt ausgeschlossen. Das gilt für selbständige und unselbständige Arbeit und kann für die Betroffenen besondere Härte darstellen.“ Elina wollte nicht zum Nichtstun verurteilt sein, suchte gleichermaßen aus psychologischen wie finanziellen Gründen Arbeit und fand eine illegale Stelle als Haushaltshilfe. Auch wenn sie bei der Familie viel private Unterstützung erfuhr, ging sie damit neben der fehlenden sozialrechtlichen Absicherung ein anderes Risiko ein, erklärt Ammer: „Asylsuchende, die bei einer Beschäftigung ohne Bewilligung nach dem Ausländerbeschäftigungsgesetz angetroffen werden, riskieren im schlimmsten Fall ein Rückkehrverbot.“ Eine der Konsequenzen eines Rückkehrverbotes ist der Ausschluss der Gewährung von „humanitären Aufenthaltstiteln“ wie dem „Bleiberecht“.
Zu den zahlreichen Belastungen, denen AsylwerberInnen aufgrund ihrer Entwurzelung ausgesetzt sind, gesellen sich harte Arbeitsbedingungen und Ausbeutung in legalen Jobs, denen sich ÖsterreicherInnen kaum mehr aussetzen. Claire Stephan, Sozialarbeiterin beim Verein Ute Bock, weiß, dass Asylsuchende „oft große psychische und physische Belastungen in Kauf nehmen, um sich mit Arbeit über Wasser zu halten.“ Auch Elinas Lebenssituation war extrem belastend: In ihrem Heimatland war sie vier Mal wegen einer Darmerkrankung operiert worden. Bei ihrem Aufenthalt in Polen erkrankte sie an Meningitis. Die Gründe, die zu ihrer Flucht führten, hatten sie psychisch traumatisiert. Dazu kam die Ungewissheit des laufenden Asylverfahrens. Rückblickend erinnert sie sich an „sehr viel Stress und Depressionen“. Arbeiten musste sie trotzdem. Aus Angst vor Abschiebung hatte sie sich geweigert, im Zulassungsverfahren in der Erstaufnahmestelle Traiskirchen zu bleiben. Damit hatte sie aber den Anspruch auf Grundversorgung verloren. Wie sie ohne ein Quartier beim Verein Ute Bock, ohne Essensgutscheine und illegale oder prekäre Jobs überlebt hätte, lässt sich nur schwer vorstellen.
Gesetzesdschungel
Der äußerst beschränkte Zugang zum Arbeitsmarkt geht auf die schwarz-blaue Regierungszeit zurück. Der damalige VP-Wirtschaftsminister Martin Bartenstein erließ im Jahr 2004 einen Erlass, der arbeitswillige Asylsuchende in die Ernte- und Saisonarbeit drängte. Seit 2010 werden sie sogar gegenüber in Österreich lebenden MigrantInnen offiziell bevorzugt. Das Argument billiger Arbeitskräfte dürfte es möglich machen. Insofern dürfte es sich auch erübrigen, zu prüfen, ob für diese Arbeitsnische ÖsterreicherInnen zur Verfügung stünden. Einen gesetzlichen Haken gibt es aber auch in dieser Situation: Findet jemand wie Elina eine legale Beschäftigung im Tourismusgewerbe oder in der Landwirtschaft, wird sie von ihrem konkreten Arbeitgeber automatisch abhängig.
Im Moment, in dem dieser sie kündigt, wäre auch die Beschäftigungsbewilligung weg. Die Errungenschaften unserer modernen Arbeitswelt scheinen damit fern. Von besseren Beschäftigungstiteln, die mehr Eigenständigkeit ermöglichen, etwa einer Arbeitserlaubnis oder einem Befreiungsschein, sind AsylwerberInnen automatisch ausgeschlossen. Die Logik dazu ist simpel: Eine generelle Arbeitserlaubnis ist eben nur „niedergelassenen“ AusländerInnen zugänglich. Seit dem Niederlassungs- und Aufenthaltsgesetz aus dem Jahr 2005 gelten Asylsuchende nicht als „niedergelassen“. Auch wenn sie, wie viele, jahrelang in diesem Land leben.
Saisonarbeit in Zell am See
Im Jahr 2007 konnte Elina schließlich doch eine legale Beschäftigung in der Saisonarbeit finden. In einem Hotel in Zell am See erhielt sie einen 40-Stunden-Job als Stubenmädchen für 1150 Euro netto. „Sehr harte Arbeit“, sagt Elina, die glaubt, dass „eine Österreicherin diese Stelle nicht angenommen hätte.“ Das Beschäftigungsverhältnis bleibt dennoch stets prekär, hebt Margit Ammer hervor. Denn: „Länger als 12 Monate innerhalb von 14 dürfen Saisonniers laut Ausländerbeschäftigungsgesetz nicht beschäftigt sein. Dann muss ein neuer Antrag gestellt werden.“ So war es auch bei Elina: In der Sommersaison 2007 konnte sie noch ein Monat lang arbeiten, ein dritter Antrag für die Wintersaison 2008 wurde abgelehnt. Erst 2010 wurde ihr Antrag wieder positiv beschieden. Diesmal in einem Restaurant in Zell am See. Auch wenn diese auf Monate angelegten Jobs legal und Kost sowie Logis gratis waren, sind die Benachteiligungen durch die rechtlich erzwungenen Unterbrechungen doch enorm. „Saisonniers haben es eindeutig schwerer, die Voraussetzungen für einen Anspruch auf Arbeitslosengeld zu erfüllen”, so Ammer.
Grundversorgung als Problem
In der Grundversorgung war Elina nie. Hätte sie diese erhalten, wäre ihr legaler Verdienst vom Grundversorgungsgeld abgezogen worden. Auch wenn die Grundversorgung selbst so niedrig ist, dass es Österreich bereits Kritik durch den Delegierten des UN-Sozialpakts eingebracht hat. Für einen Erwachsenen ist ein Verpflegungsgeld von 150 Euro und ein Taschengeld von 40 Euro pro Monat vorgesehen. Wird eine bestimmte Grenze überschritten, geht der Anspruch auf Grundversorgung – und damit auf Krankenversicherung – überhaupt verloren. Dann kommt es für diese Leute mit ihren absoluten Niedrigstverdiensten sogar zu Rückzahlungsforderungen, wie Claire Stephan erzählt.
Gemeinnützige Tätigkeit
Neben der Ernte- und Saisonarbeit lässt der Staat eine weitere legale Beschäftigung – auch während des Zulassungsverfahrens – zu: eine Tätigkeit im gemeinnützigen Bereich. Die Arbeitgeber heißen dann Forstamt, Bauamt, Gartenamt. Zunehmend auch Altersheim und Schule. Die Remuneration darf dabei in der Regel 100 Euro im Monat nicht übersteigen, wobei es auch hier im kleinen Österreich unterschiedliche Regelungen in den Bundesländern gibt. Der Stundenlohn, um den es hier geht, beträgt rund 3 bis 5 Euro. Christoph Nußbaumer, Betreuer im Flüchtlingsheim Innsbruck, dazu: „Der eigentliche Sinn für die Betroffenen ist die Schaffung von Tagesstruktur. Deswegen muss der Stundenlohn möglichst niedrig gehalten werden. Damit sie möglichst viele Stunden am Tag beschäftigt werden können.“ Kritik von UN und Wirtschaftskammer Die umfassenden Arbeitsverbote für AsylwerberInnen stoßen beim UNHCR auf Kritik. Ruth Schöffl, Pressesprecherin des UNHCR in Wien, sieht ein grundlegendes Problem: „Integration beginnt mit dem Aufenthalt in Österreich, und nicht erst mit der Anerkennung als Flüchtling.
“ Das UN-Flüchtlingsamt fordert deswegen gezielte Qualifikationsmaßnahmen und Deutschkurse für AsylwerberInnen ab Beginn des Verfahrens. Besonders kritisch beurteilt Schöffl auch die Regelungen für Jugendliche: “Sie sind nach der Schule nicht zur Lehre zugelassen.” In der österreichischen Politik ist die Frage der Arbeitserlaubnis heftig umstritten. Während der Bartenstein-Erlass bereits Gegenstand mehrerer dringlicher Anfragen durch die Grünen war, gab es in jüngster Zeit auch einen Vorstoß in Richtung Öffnung durch die Salzburger Landeshauptfrau Gabi Burgstaller. Widerstand kommt von ihren eigenen Parteigenossen, den SP-GewerkschafterInnen. Die Wirtschaft signalisiert aufgrund des Fachkräftemangels eine Bereitschaft zur Öffnung des Arbeitsmarktes für AsylwerberInnen, wie das zuletzt etwa der Leiter der Abteilung für Sozialpolitik der Wirtschaft skammer, Martin Gleitsmann, betonte. Falls Österreich gesetzliche Änderungen verweigert, könnte diese wie so oft von übergeordneter Stelle eingefordert werden.
Schöffl: “Derzeit ist eine neue EU-Richtlinie in Arbeit. Sie soll eine Öffnung des Arbeitsmarktes für AsylwerberInnen ermöglichen.” Integration trotz Barrieren Elina selbst hatte Glück im Unglück. Zwar wurde ihr Asylantrag im Frühling 2011 endgültig negativ beschieden, der heute 31-Jährigen wurde nach sechs Jahren Aufenthalt in Österreich das Bleiberecht zugesprochen. „Mir fiel ein Stein vom Herzen“, bekennt die Frau, die nun als „integriert“ gilt, weil sie sich erfolgreich gegen die Integrationsbarrieren des österreichischen Staates behauptete.
Seit September hat Elina eine Anstellung als Reinigungskraft in einer großen Baufirma. Hier halfen ihr die Kontakte, um die sie sich während ihrer Zeit im Asylstatus bemühte. Eine der beiden Familien, in deren Haushalt sie half, waren ihr bei der Jobsuche behilflich. Beim Verein Ute Bock möchte sie bald ausziehen. Sie hat einen Antrag auf eine Gemeindewohnung gestellt.