„Das ist alles besser als zuhause“
Wien aus Sicht der Kolporteure
MO ist eine von mehreren Straßenzeitungen in Wien, durch deren Verkauf sich sozial benachteiligte Menschen einen kleinen Zuverdienst ermöglichen. Wir begleiteten sie auf ihrer Tour.
Reportage: Eva Bachinger. Fotos: Karin Wasner
Das Lokal „Kantine“ im Wiener Museumsquartier ist zur Mittagszeit gerammelt voll. Ein Rom macht mit einer Straßenzeitung, die nicht mehr ganz taufrisch aussieht, die Runde. Er ist nicht erfolgreich: mitleidiges Kopfschütteln, ein Nein da, ein Nein dort oder schlichtes Ignorieren. Doch der junge Mann bleibt hartnäckig: Er hält die Hand hin und sagt „Einen Euro, bitte.“ Vergebens. Dann erzählt er mit traurigem Gesichtsausdruck von seinen Kindern, die zuhause in Rumänien nichts zu essen hätten. Ein Gast erbarmt sich und holt schließlich seufzend seine Geldtasche hervor. „Ich hätte wirklich gerne eine Handlungsanleitung, ob ich diesen Menschen Geld geben soll oder nicht. Man hört ja immer von Mafia und so“, sagt er. Der Naschmarkt, wo die Stände vor Obst und Gemüse nahezu überquellen, ist ebenfalls ein beliebtes Gebiet der KolporteurInnen von Straßenzeitungen wie Augustin und MO.
Seit die Restaurantmeile immer länger wurde, sitzen viele Menschen an den Tischen, drinnen und draußen, im Sommer wie im Winter. Im „Tewa“, das übersetzt aus dem Hebräischen „Natur“ heißt, ist mittags Urlaubsstimmung angesagt: Aus den Boxen dringt fröhliche, lateinamerikanische Musik und dank kuscheliger Decken sowie Heizstrahler sitzt man auch im November im Warmen. Das Essen ist aus biologischer Landwirtschaft, und trinkt man Kaffee, unterstützt man damit ein Straßenkinderprojekt in Rio. Eine fülligere, ältere Frau nähert sich den Tischen. Sie trägt abgetragene Kleidung, auf dem Rücken hat sie einen lilafarbenen, ebenso abgewetzten Rucksack. Mit ausgestreckter Hand bittet sie um Geld. Jedes Mal wenn ihr dieser Wunsch von einem Gast abgeschlagen wird, verzieht sie das faltige Gesicht und jammert.
Die Gäste versuchen sie zu ignorieren, senken ihren Blick wieder in die Zeitung, rühren unschlüssig im Cappuccino und bemühen sich, den Gesprächsfaden wieder aufzunehmen. Für Arme, die weit weg sind, trinkt man gerne Kaffee. Arme, die uns zu nahe kommen und so fordernd sind, sind uns unangenehm. Wenige Minuten später kommt ein Kolporteur. Beschwingt geht er von Tisch zu Tisch und bietet die Zeitung an. Niemand will sie haben. Doch er akzeptiert ein Nein und hält sich nicht lange auf. Eine Geschäftsführerin eines Lokals, die nicht namentlich genannt werden möchte, beobachtet in letzter Zeit eine Zunahme an Zeitungsverkäufern. „Sie bleiben an den Tischen stehen, gehen nicht weiter und fassen die Gäste auch an. Es ist ein Störfaktor für uns und unsere Gäste, die hier ungestört essen und ihren Kaffee trinken wollen. Manche sehen ja auch nicht so gut aus, riechen nicht so gut, das ist unangenehm.“ Für sie kommt es auf die Haltung an, wie jemand eine Zeitung verkauft. „Viele Verkäufer wissen oft nicht, was das für eine Zeitung ist, was da drinnen steht. Man merkt, dass sie nur Geld und nicht die Zeitung verkaufen wollen.
“ Ein Kellner in einem anderen Lokal meint: „Wenn Sie wissen wollen, wie das einer sieht, der hier jeden Tag arbeitet, dann sag ich Ihnen: Es ist sehr schlimm. Besonders am Samstag. Sie kapieren es einfach nicht. Wenn Sie nur um Geld fragen, ist das okay, aber sie lassen sich nicht abwimmeln. Einige wenige schwarze Schafe machen alles kaputt für die Zeitungsverkäufer.“ Vertrieb selbst organisiert Das MO-Magazin teilte sich bis vor zwei Jahren die Kolportage mit der Publikation „Global Player“ von Menschenrechtsaktivist Di-Tutu Bukasa. Dann entschied sich SOS Mitmensch, den Vertrieb selbst zu organisieren und die KolporteurInnen selbst einzuschulen. In den Schulungen in der jeweiligen Muttersprache der VerkäuferInnen wird ihnen vermittelt, unbedingt bestimmte Regeln einzuhalten, wie zum Beispiel den Verkäuferausweis sichtbar zu tragen. Damit die Ausgaben der Zeitung nicht leichtfertig weitergegeben werden, stempelt der für die Kolportage zuständige Mitarbeiter bei SOS Mitmensch, Sebastian Seidl, jedes Exemplar mit der jeweiligen Ausweisnummer der VerkäuferInnen ab. Sie werden angehalten, ein Nein von KundInnen zu akzeptieren und die Menschen nicht weiter zu belästigen. Seit vergangenem Winter kommen vor allem Roma aus Rumänien, vorher waren mehr slowakische Roma in Wien.
Zum Kolportageprojekt finden sie über Mundpropaganda, meistens sind es ganze Familienclans oder weitläufig Verwandte aus derselben Gegend. Die Mehrheit stammt aus einer Subgruppe der Roma, den Rudari, die allesamt nicht mehr Romanes sprechen, sondern Rumänisch. Seit das ältere Straßenzeitungsprojekt „Augustin“ einen Aufnahmestopp verhängt hat, kommen pro Woche fünf bis zehn Roma und ersuchen um einen Ausweis, erzählt Seidl. Der Verkauf der Zeitungen ist zu einer wichtigen Einnahmequelle für sie geworden, vor allem nachdem 2008 in Wien das „aggressive und organisierte Betteln“ verboten wurde. „Wir könnten Hunderte anstellen! Und alle haben mehrere Kinder und brauchen dringend Geld. Es ist ein Fass ohne Boden“, so Seidl. Derzeit sind 286 Ausweise ausgegeben, wirklich aktiv sind etwa 150 KolporteurInnen. Rund 10.000 Exemplare von MO, das alle drei Monate erscheint, werden auf der Straße verkauft.
„Man sollte als Käufer den Ausweis verlangen und die Zeitung nur bei Leuten kaufen, die einen Ausweis haben. Beschwerden sollte man direkt an uns richten“, rät Seidl. Einzelne Wirte und auch die Stadt Wien hätten sich bei SOS-Mitmensch über aufdringliche BettlerInnen beschwert. „Aber die meisten, die uns angerufen haben, wollten mit uns eine Lösung suchen. Es geht natürlich nicht, dass im Zwei-Minuten-Takt VerkäuferInnen bei den Tischen vorbeikommen. Dann wird eine gewisse Toleranzgrenze überschritten“, räumt Seidl ein. Auch beim Projekt „Augustin“, wo derzeit 550 VerkäuferInnen registriert sind, versucht man mittels Schulungen der Lage Herr zu werden. Auch hier kennt man das Problem mit inoffiziellen VerkäuferInnen, die den „Augustin“ nicht wirklich aus der Hand geben wollen, sondern mit seiner Hilfe um Geld bitten. „Ja, wir kriegen einen Haufen Beschwerden und wir sind darüber auch nicht glücklich, denn das bedroht das Projekt insgesamt. Aber es ist schwierig, etwas dagegen zu tun. Ohne Ausweis dürfen sie nicht verkaufen, aber das alles zu kontrollieren, würde den Rahmen sprengen.
Wir informieren die Kunden, dass Augustin- Verkäufer einen Ausweis tragen, aber wir wollen sie auch nicht bevormunden und uns von den Durchsagen der Wiener Linien unterscheiden“, so Andreas Hennefeld vom Projekt „Augustin“. Die Wiener Verkehrsbetriebe fordern in der Vorweihnachtszeit die Fahrgäste auf, BettlerInnen kein Geld zu geben, sondern für NGOs zu spenden. Mit KolporteurInnen von Augustin und MO, die einen Ausweis tragen und folglich „die Regeln kennen“, gebe es „so gut wie nie Probleme“, betont Answer Lang, Sprecher der Wiener Linien.
ZeitungsverkäuferInnen, BettlerInnen – die Grenzen sind verwischt. Äußerungen von PolitikerInnen und teilweise die mediale Berichterstattung dienen eher der Pauschalisierung als der Klärung. Im September 2011 geisterte beispielsweise durch die Medien, dass gefälschte Ausgaben des „Augustin“ in Ebreichsdorf aufgetaucht seien. Fünf Verkäufer hätten sie in der Slowakei gedruckt und vor einem Supermarkt verkauft. Davon, dass das Verfahren bei der Staatsanwaltschaft sowie die polizeilichen Ermittlungen eingestellt wurden, hörte man allerdings nichts mehr. „Diese angeblichen Fälschungen sind für uns ein Mysterium. Wir haben bis jetzt keine einzige Ausgabe davon zu Gesicht bekommen. Deshalb haben wir bisher auch von rechtlichen Schritten abgesehen“, berichtet Hennefeld.
„Zehn Geschwister, wir brauchen das Geld“
Am Naschmarkt zieht Marin Adrian mit ein paar MO-Exemplaren seine Runden. Wie erfolgreich er heute schon war? Er holt seine Geldtasche hervor: Sie ist noch gähnend leer. „Nichts habe ich bisher verkauft“, sagt er ein wenig resignierend. Der 25-jährige Rumäne ist erst vor zwei Tagen wieder nach Wien gekommen. Wie die meisten VerkäuferInnen pendelt er zwischen Österreich und Rumänien, seit zwei Jahren. Er kommt aus Valea Mănăstirii, übersetzt „Tal des Klosters“. Durch das Dorf mit rund 170 Einwohnern schlängle sich ein Fluss, das Tal sei eng und schön grün, sagt er. „Aber es gibt dort keine Arbeit. Zuhause habe ich zehn Geschwister. Papa ist im Spital. Wir brauchen das Geld, das ich hier verdiene“. Er hat weder die 70 Euro für die Fahrt nach Österreich beisammen, geschweige denn die 100 Euro Miete für sein Schlaflager in Wien-Floridsdorf. Zu viert leben sie in einer Einzimmer-Wohnung, was „gut ist, auch wenn wir kein Warmwasser haben. Aber andere müssen mit 20 anderen in einer Kleinwohnung leben.
“ Pro Monat kann er etwa 100 Euro nach Hause schicken. Mehr als 300 Euro mit Zeitungen zum Stückpreis von zwei Euro verdienen zu müssen, kann schon ordentlich Druck verursachen. Ihm fehle oft der Nerv zu den Leuten dann noch freundlich und zurückhaltend zu sein. „Derzeit verkaufe ich etwa zehn Exemplare pro Tag, und ich arbeite von neun Uhr früh bis elf Uhr abends. Es ist in den letzten Jahren schlechter geworden. Früher habe ich 20 Zeitungen verkauft, oft hätte ich mehr Ausgaben verkaufen können als ich dabei hatte.“
Für Bettina Schörgenhofer, Leiterin der Abteilung „Hilfe in Not“ der Caritas Wien sind dieser finanzielle Druck und auch die Diskrepanz zwischen vollem Teller und leerem Magen Gründe für die mitunter hartnäckige Art der KolporteurInnen. „Es geht hier um ein Bedürfnis nach Geld, nach Essen und sie suchen Abnehmer für ihre Zeitung. Dabei hat der Verkäufer eben seine Strategien. Man kann es ihm nicht verübeln, dass er auch Druck ausübt. Ein Autoverkäufer hat auch seine Strategien, die nicht angenehm sein können. Selber sitzt man beim Essen und der Bettler hat womöglich heute noch nichts gegessen“, erklärt sie.
An die Großstadt hat sich Marin Adrian noch nicht gewöhnt: Er weiß nicht, wie der Bezirk heißt, wo er unterwegs ist, sondern sagt: „Über diesen Berg gehe ich jeden Tag“, und meint die Gegend rund um den Naschmarkt und „oben“ die Mariahilferstraße. „Ich gehe aber auch dorthin, wo die Pferdekutscher sind.“ Adrian hat nur die Grundschule besucht, dann musste er Geld verdienen. „Parkettleger, Anstreicher, das würde ich gerne machen. Ich wäre auch lieber Chauffeur, aber ich habe keinen Führerschein.“
Im 6. Bezirk ist heute auch Isabel Tinca, 24, unterwegs. Der Vater von zwei kleinen Kindern (eineinhalb und zweieinhalb Jahre alt) kommt aus dem Dorf Pitesti, etwa 120 Kilometer von Bukarest entfernt. An seiner schwarzen Kunstlederjacke hat er neben dem Kolporteurausweis einen Sticker des Bildungsvolksbegehrens angeheftet. „Putzen würde ich gerne, Fenster putzen oder die Straßen kehren. Oder Regalbetreuer im Supermarkt. Ich habe in einer Küche gefragt, ob ich arbeiten kann, aber der Chef hat gemeint, ich soll zum Magistrat gehen und einen Gewerbeschein beantragen, dann könne ich bei ihm arbeiten.
“ In Rumänien habe er auf Baustellen geschuftet, doch in Österreich verdiene er mit dem Zeitungsverkauf mehr. „Ich fahre nach einem Monat mit etwa 200 Euro zurück und kann den Kindern Essen und Kleidung kaufen.“ Mit 14 anderen Roma lebt Tinca in einer Wohnung in Wien-Brigittenau. „Wir sind geschlichtet wie die Sardinen. Weil wir keine Dusche haben, gehen wir in ein Bad der Stadt um zwei Euro duschen“, erzählt Tinca. Sein Vermieter verdient mehr als 1.500 Euro pro Monat, da jeder pro Matratze etwa 100 Euro zu zahlen hätte. Fühlt er sich da nicht ausgebeutet? Er zuckt mit den Achseln. „Wenn es solche Vermieter nicht gebe, müssten wir unter der Brücke schlafen. Wir können keine Kaution und keine Provision zahlen. Wer gibt uns einen Mietvertrag, wenn wir hier weder gemeldet sind, noch arbeiten?“
„Balsam auf Polizeiseele“
Gerald Tatzgern würde sich diesem Phänomen gerne mehr widmen, doch auf seinem Schreibtisch türmen sich auch Unterlagen zu Zwangsprostitution und Schlepperei. Der Leiter der Zentralstelle zur Bekämpfung der Schlepperkriminalität und des Menschenhandels im Innenministerium weiß von einigen Wohnungen, wo dutzende Roma unter menschenunwürdigen Bedingungen hausen würden. Doch: „Uns fehlen schlichtweg die Ressourcen, um solchen Ausbeutungsformen intensiv nachzugehen. Zudem tangiert das ja auch Grundrechte: Wir können nicht einfach in jede Wohnung gehen. Keines dieser Opfer freut sich, wenn die Polizei kommt, denn wir schneiden ihnen ihre – wenn auch geringe – Einkommensquelle ab. Sie fühlen sich oft - mals auch nicht ausgebeutet.
“ Der Beamte wehrt sich aber gegen Aussagen zum Beispiel von Seiten der „Bettellobby Wien“, er würde stets von einer „Bettelmafia“ reden, wo es doch keine gebe. Am 23. Dezember 2010 sind laut einem Bericht der rumänischen Zeitung „Adevarul“ das Ehepaar Mircea und Virginia Eftimoiu vor einem Gericht in Bukarest zu mehrjährigen Haftstrafen wegen Menschenhandels und Ausbeutung u.a. Von behinderten Bettlern in Wien verurteilt worden. „Das war Balsam auf meine kriminalpolizeiliche Seele. Diesem Urteil gingen unsere monatelangen Ermittlungen voraus.“
Als Antwort auf die Frage, ob sich richtige Mafiosi nicht lieber Waffen und Drogen widmen als der Bettelei, rechnet der Polizist vor: „Wenn ein Bettler pro Tag 50 Euro erbettelt und ich habe 20 Bettler unter mir, die sieben Tage in der Woche betteln, dann sind das 7.000 Euro, im Monat 28.000 Euro. Mit einem Waffendeal steigt man besser aus, keine Frage, aber wenig ist das nicht.“ Selbst wenn es so zutrifft, führt die wiederholte Verwendung von „Bettelmafia“ im öffentlichen Diskurs zu Pauschalisierung. Bettina Schörgenhofer glaubt sehr wohl an Ausbeutung innerhalb der patriarchalen Familienstrukturen, doch das alles „Mafia“ zu nennen, findet sie übertrieben:
„Es ist wohl so, dass die schwächsten Mitglieder eines Clans ausgenutzt werden. Natürlich gibt es Wohnungen, wo 30, 40 Leute schlafen. Doch eine Mafia wie in Italien? Das glaube ich nicht. Diese Menschen kommen aus bitterarmen Dörfern. Wenn man das mal mit eigenen Augen gesehen hat, ist es verständlich, dass sich die Menschen organisieren und zu uns zum Betteln kommen. Ganze Familien leben davon.“ Die Caritas-Bereichsleiterin sieht die Probleme jedenfalls nicht durch Bettelverbote gelöst, sondern nur indem den Menschen geholfen wird, konkret ihre Lebenssituation zu ändern. Auch um Ausbeutung in Kleinstwohnungen zu vermindern, hat die Caritas die 2. Gruft eröffnet: Dort wird vor allem OsteuropäerInnen Unterkunft gewährt.
Spenden oder nicht spenden?
Als EU-Bürger können sich Roma in Österreich drei Monate lang frei und legal bewegen, dann müssen sie wieder ausreisen. Sie erhalten bis 2013 keine Arbeitserlaubnis, weil für Bulgarien und Rumänien eine Übergangsfrist gilt. Die zehn Millionen Roma, die in Europa leben, gehören zu den Ärmsten der Armen: Die UNEP schätzt, dass 44 Prozent der Roma-Haushalte in Armut leben, 15 Prozent in extremer Armut. Die Arbeitslosenquote beträgt bis zu 90 Prozent. Sie leben meist in abbruchreifen Häusern, mitunter ohne sanitäre Anlagen. Zwei Drittel schaffen keinen Schulabschluss, jeder vierte Roma kann weder lesen noch schreiben. Dass diese Armut in den chicen Wiener Cafes auftaucht, kommt bei der Jeunesse dorée nicht gut an. Und Arme sollen, wenn sie schon da sind, unauffällig sein und nicht aggressiv.
„Warum schreckt uns diese Armut und das Betteln so? Was stört uns daran? Warum ist das so oft in den Schlagzeilen?“, fragt sich Schörgenhofer. „Wir haben irgendwie verlernt, der Armut ins Gesicht zu schauen. Wir können uns unheimlich darüber aufregen, dass Leute mit Zeitungen betteln oder auf der Straße sitzen. Man hat wohl auch ein schlechtes Gewissen und reagiert vielleicht deshalb aggressiv. Es erfreut sich ja niemand daran, dass jemand so arm ist und betteln muss. Es ist aber das Einfachste, dieses unangenehme Gefühl den Armen anzulasten“, meint sie. Ansagen, besser für NGOs zu spenden als einzelnen BettlerInnen Geld zuzustecken, lehnt sie ab: „Ich denke, es kann nicht um ein Entweder-Oder gehen, sondern um ein Sowohl-Als auch. Das sind zutiefst persönliche Entscheidungen, die man niemandem abnehmen kann. Es ist beides legitim, dem Bettler was zu geben oder einfach weiterzugehen, weil es im Moment nicht passt. Bei Spenden an NGOs geht es ja um strukturelle Hilfe, um die Finanzierung von Projekten zur Armutsvermeidung. Wir sollten nicht die Armen bestrafen, sondern die Armut abschaffen.“