Kampfbegriff Integration
Liebe Leserin
Lieber Leser
Unlängst begann eine OTS-Aussendung des Integrationsstaatssekretariats so: „Damit Migrantinnen und Migranten die Grundwerte der rechtsstaatlichen Ordnung Österreichs besser vermittelt werden können, schlägt der Expertenrat die Erstellung einer „Rot-Weiß-Rot-Fibel“ vor. In dieser Fibel sollen die Grundwerte der österreichischen enthalten sein.“ – Doch halt, fehlt hier nicht etwas? „Die Grundwerte der österreichischen“... wie, was? Tatsächlich scheint die Auslassung an der entscheidenden Stelle den nebulosen Charakter der Integrationsdebatte auf geradezu unheimliche Weise herauszustreichen. Wer hat denn wirklich eine konkrete Vorstellung davon, was das I-Wort über die Einhaltung der Gesetze hinaus besagen soll? Da scheint sich der Begriff der Integration recht uninspiriert an jene Leitkultur-Debatte anzuschmiegen, mit der Deutschland keinen Schritt weitergekommen war. Aber zurück zu den Grundrechten. Deren Promotion in einer Fibel ist ebenso ehrenhaft wie plump gedacht. Warum nicht auch eine für AutofahrerInne , dass dann niemand mehr schnell fährt? Oder für Lobbyisten, dass sie sich endlich an unsere Grundwerte und Gesetze halten? Höchste Zeit in Zeiten wie diesen. Wer an die Macht der Fibel glaubt, könnte aber auch fragen, warum diese den Rechtsstaat nur bei den „Migrantinnen und Migranten“ promotet? Vor einigen Monaten ließ eine Umfrage am Demokratiebewusstsein der Mehrheitsgesellschaft zweifeln: Sie ergab, dass rund 40 Prozent der Befragten der Kanzler der Ersten Republik, Engelbert Dollfuß, gänzlich unbekannt ist. Macht eine derartige Geschichtslosigkeit hinsichtlich Austrofaschismus und Autoritarismus nicht anfällig für mangelnde demokratiepolitische Grundwerte? Ja, signalsieren die Wahlergebnisse dieses Landes. Die Integration in Werte wie Ethik, Toleranz und Demokratiebewusstsein scheint noch ein schönes Stück Arbeit.
Spannende Momente wünscht
Gunnar Landsgesell