Lobbyismus
Liebe Leserin
Lieber Leser
Seniorenbund-Chef Andreas Khol meinte unlängst in einem Kurier-Interview: „Wenn du als 40-jähriger Politiker ohne Mandat dastehst, musst du sehr aufpassen, dass du kein Sozialfall wirst. Oder du gehst ins Lobbying." Ob so viel Transparenz gut tut? Ohne aber jetzt das Thema mit Khol verulken zu wollen – Lobbyismus wird in Österreich neuerdings tatsächlich als demokratiepolitisches Problem empfunden. Der Begriff wird nicht als Berufsbezeichnung, sondern als Chiffre verwendet. Wofür bleibt unklar. Dementsprechend nebulos muss somit auch unsere Frage am Cover – „Was kostet ein Gesetz?“ – aufgefasst werden. Nach den jüngst aufgedeckten Korruptionsfällen schwingt hier ein Tonfall mit, den der PR-Berater und Lobbyist Peter Kovar im Interview als alten, schlechten Stil klar abgrenzt. Er selbst, ein Vertreter der neuen Schule, nennt ein paar Zahlen, um anschaulich zu machen, was Unternehmen tatsächlich investieren müssen, um im Gesetzgebungsprozess auch ein Wörtchen mitzureden.
Das wirft Fragen auf, die für die Perspektiven einer Zeitschrift wie MO interessant sind. Selbst wenn in Österreich der transparente Lobbyismus der USA einzöge – was hätten in diesem System NGOs wie SOS Mitmensch oder selbst die Caritas einem großen ressourcenstarken Unternehmen entgegenzusetzen? Wen gibt es überhaupt, der z.B. für MigrantInnen – nicht kampagnisiert – sondern lobbyiert? Und welche Lobby haben die TierschützerInnen des Wiener Neustädter Prozesses hinter sich – und welche etwa die konventionellen Bauern und Jäger? Welches politische System könnte also ändern, dass alles, was auf solidarischen Prinzipien basiert, einen schweren Stand gegen die Eigennutzenverfechter hat? Sich eine Lobby der Schwachen vorzustellen, ist so gesehen amüsant. Da beißt sich die Katze in den Schwanz. So wie bei der Forderung nach transparentem Lobbyismus.
Spannende Momente wünscht
Gunnar Landsgesell
P.S. Vielen Dank an die KolporteurInnen von MO. Sie haben von der letzten Ausgabe wieder 10.000 Stück auf der Straße verkauft. Mindestens ebenso oft wurde sie hoffentlich auch gelesen.