Dagegen
Liebe Leserin,
Lieber Leser,
Kürzlich war in einem deutschen Feuilleton zu lesen, dass heute ein Tabubruch nur noch auf zwei Arten denkbar ist: Entweder kündige man die öffentliche Hinrichtung seines Dackels an oder man stelle die Demokratie in Frage. Der Aufschrei dürft e bei ersterem Beispiel lauter sein, denn: Folgt man den Publikationen namhaft er Philosophen wie Badiou oder Ranciere, haben Europas nationalstaatliche Demokratien bereits selbst begonnen, primäre Merkmale wie Partizipation, Gewaltentrennung oder Pluralismus auszuhöhlen. Der britische Politologe Colin Crouch prägte mit seinem Buch „Postdemokratie“ einen Begriff , der sogar vom Ende des Bürgers, der Bürgerin als Souverän kündet. Interessen werden demnach nicht mehr unbedingt in demokratischen Verfahren ausverhandelt, sondern von der Politik instrumentell und objektiviert im Dienste des Volkes und noch mehr einer globalisierten Wirtschaft entschieden. Von der Frage, an wen sich politischer Protest eigentlich richtet, wenn einem die Adressaten in einem bröckelnden Nationalstaaat abhanden kommen, aber auch von neuen Handlungsräumen in der Postdemokratie soll im Dossier dieser Ausgabe die Rede sein. Was selbst in aussichtsloser Situation noch möglich ist, zeigte etwa Ulrich Eichelmann. Der Umwelt-Aktivist brachte in einer unglaublichen NGO-Kampagne das fest einzementierte türkische Mega-Staudammprojekt Ilisu noch zum Bröckeln. In sich zusammengefallen sind auch die Hoff nungen, die die linken Starautoren Negri/Hardt mit ihrem „neuen Manifest“ „Empire“ geweckt haben. Ein Beitrag untersucht, warum die Gesellschaft - gedacht als Vielheit von Singularitäten - sich nicht als demokratisierende Kraft bestätigt hat.
Spannende Momente wünscht
Gunnar Landsgesell