Schlawiner-Mentalität. Im Golfklub verliert man die Beißhemmung
Ab wann beginnt es in der Bussi-Bussi-Gesellschaft nach Korruption zu stinken? Wer darf noch wen zu den Salzburger Festspielen einladen? Und warum haben wir so eine Schlawiner-Mentalität? Franz Fiedler, Präsident des Beirats von Transparency International Österreich, über Korruption.
Interview: Simon Kravagna, Bilder: Bernhard Kummer
Herr Fiedler, fangen wir beim Thema Korruption mal ganz klein an. Journalisten bekommen auf Wunsch von der ÖBB eine so genannte „Presse-Karte“. Damit zahlen sie dann 2. Klasse, dürfen aber in der 1. Klasse fahren. Bestechung?
Franz Fiedler: Strafrechtlich ist das sicher nicht relevant. Und die ÖBB kommen in der Regel in den Medien nicht gerade großartig weg. Also selbst wenn so etwas die Absicht wäre, was ich in diesem Fall nicht annehme, verfehlt dies offenbar jede Wirkung. Ich denke mir, dass ist eher eine Art PR-Aktion der ÖBB.
Ich frage deshalb, weil Journalisten gerne anderen auf die Finger schauen, aber auch nicht immer ihre Rolle hinterfragen. So ist es etwa durchaus üblich, auf Kosten eines Ministeriums einen Minister ins Ausland zu begleiten und dann darüber zu berichten.
Also auch bei der Art der Berichterstattung der Medien über die Auslandsreisen der Politiker habe ich nicht den Eindruck, dass diese besonders gut wegkommen. Auch hier würde ich sagen, dass Journalisten sich resistent gegenüber solchen Praktiken zeigen. Mit Ausnahmen eines Graubereichs im Motorsportjournalismus sehe ich hier keinen Grund zur Kritik.
Gut, wenn Sie sagen, dass bei den Medien alles in Ordnung ist, kann ich mich beruhigt den Verfehlungen in Staat und Wirtschaft zuwenden. Wo sehen Sie hier das Problem? Die Debatte über die Verschärfung des Anti-Korruptionsgesetzes zeigt, dass es in Österreich noch ein unausgereiftes Verständnis von Korruption gibt. Bei uns glauben noch viele, es wird erst dann problematisch, wenn jemand bestochen wird. Aber schon ein Naheverhältnis kann eine Befangenheit mit sich bringen kann, die bedenklich ist. Wer als Beamter in einer Jagdgesellschaft oder im Golfklub regelmäßig mit Leuten zu tun hat, mit denen er potenziell dienstlich zu tun hat, der verliert die Beißhemmung.
In Österreich gehört es eigentlich zum guten Ton, sich gesellschaftlich blicken zu lassen, bei Großevents vorbei zu schauen und sich nicht daheim zu verstecken.
Gut möglich, aber als Beamter muss ich mich fragen, warum bin ich eingeladen? Weil ich ein persönlicher Freund bin oder weil sich hier jemand Vorteile erwartet? Im Zweifelsfall soll man lieber zu Hause bleiben. Es geht darum, in keine Abhängigkeit zu schlittern, auch emotional nicht und das ist der Fall, wenn man sich näher kennen lernt.
Für unsere Leser: Wozu darf ich als Staatsbürger jetzt noch einen Beamten einladen oder was darf ich ihm schenken, bevor es für beide kritisch wird?
Seit 2008 ist jedes Geschenk im Zusammenhang mit einer Amtshandlung untersagt. Und zwar auch dann, wenn die Amtshandlung pflichtgemäß erledigt wurde. Also wenn sie die Baugenehmigung erhalten haben, dann sollten Sie sich nicht mehr mit ein paar Flaschen Wein revanchieren, auch wenn alles rechtens zugegangen ist. Darüber hinaus sind ab einem Wert von 100 Euro aber auch Geschenke beziehungsweise Einladungen untersagt, wenn diese in gar keinem Zusammenhang mit einer Amtshandlung stehen. Also es ist jetzt beispielsweise nicht mehr möglich, dass Firmen ganze Abeilungen von Ministerien zu den Salzburger Festspielen einladen. Dies gilt übrigens nicht nur für Beamte, sondern auch für Unternehmen mit einem öffentlichen Auftrag – also etwa dem ORF.
Also darf auch ein Herr Oberhauser nicht zu den Festspielen eingeladen werden?
Richtig. Außer der Wert dieser Einladung liegt unter 100 Euro. Aber das wäre dann dort ein eher schlechter Platz.
Hier gab es ja heftige Kritik von Seiten der Kulturveranstalter. Laut Festspiel-Präsidentin Rabl-Stadler ist das Anti-Korruptions-Gesetz „ein schwerer Schlag gegen das Kultur-Sponsoring von Reichenaus bis Salzburg“.
Ja richtig und im Hintergrund wird schon an einer Entschärfung des Gesetzes gearbeitet. Mich verwundert diese Diskussion. Erstens habe ich immer gedacht, dass die Festspiele so überlaufen sind, dass man ja ohnehin kaum Karten bekommt. Und jetzt soll ausgerechnet das Anti-Korruptions-Gesetz diesem Großereignis etwas anhaben können? Zweitens bin ich verwundert, wie schnell von der Politik versucht wird, dieser Kritik Rechnung zu tragen. Bereits im Sommer soll ein Entwurf für eine Novellierung des Gesetzes vorliegen. Das zeigt, wiederum, dass in Österreich noch nicht ganz verstanden wurde, um was es geht.
Für die Abgeordneten gelten überhaupt andere Korruptions-Bestimmungen.
Richtig. Während etwa die österreichischen EU-Abgeordneten dem Verbot der Geschenkannahme unterliegen, sind etwa Nationalrats- und Landtagsabgeordnete davon ausgenommen. Für sie gelten wieder eigene Regeln. Das führt dazu, dass es zwar strafbar ist, wenn ein Abgeordneter sich für sein Abstimmungs- oder Wahlverhalten bestechen lässt. Nicht strafbar bleibt aber das so genannte „Anfüttern“, also wenn ich mir einen Mandatar durch Geschenke oder Einladungen geneigt mache. Hier braucht es eine Gleichbehandlung aller Abgeordneten.
Vielleicht wüssten dann Abgeordnete nicht mehr, ob sie die eine oder andere Einladung noch annehmen dürfen?
Wenn jemand auf Nummer sicher gehen will, dann darf er im Zweifel eben eine Einladung nicht annehmen. Wenn er auf Grund einer persönlichen Beziehung hingeht, dann ist es ja etwas anderes. Aber es geht darum, dass man sich vermehrt in Österreich die Frage stellen müsste: „Ist das noch in Ordnung, was ich hier tue“.
Das klingt ja alles sehr streng. Fast puritanisch. Widerspricht das nicht unserer Mentalität?
Die österreichische Mentalität wird allgemein als sympathisch empfunden. Aber es ist auch eine Portion Schlawinertum darin enthalten. Uns schadet ein geschärftes Bewusstsein für problematische Naheverhältnisse sicher nicht.
Es wird manchmal behauptet, dass die heimischen Firmen in Osteuropa so erfolgreich unterwegs waren, weil sie eben mit der Balkan-Mentalität so vertraut waren.
Die Nutzanwendung historischer Erfahrungen ist noch kein Hinweis, dass Korruption im Spielist. Wir haben eben eine Affinität zu diesen Ländern. Allerdings muss man realistisch genug sein, um zu wissen, dass in vielen dieser Länder die Korruption stark ausgeprägt ist. Damit haben heimische Firmen zu tun.
Wie gehen diese damit um?
Ich möchte hier keine pauschalen Urteile abgeben. Es fällt aber auf, dass eine gewisse Praxis Einzug gehalten hat, die problematisch ist. So beauftragen österreichische Firmen gerne eine Agentur vor Ort, um für eine Pauschalsumme die Abwicklung der eigenen Geschäfte zu begünstigen. Niemand fragt dann nach, wofür dieses Geld verwendet wurde. Ja es will lieber niemand hier in Österreich wissen, wie das Geld verwendet wurde. Auch hier muss man realistisch sein. Es wird noch dauern, bevor sich diese Sachen ändern. Aber der Kampf gegen die Korruption ist das Bohren harter Bretter.
Simon Kravagna ist Chefredakteur der Wiener Stadtzeitung „biber“. www.dasbiber.at