Gastkommentar von Franz Schnabl
Gastkommentar von Franz Schnabl, Präsident des Arbeiter-Samariter-Bundes. Er fragt, warum der geplante Reformprozess des Polizeiapparates noch immer auf Eis liegt. Und er vermisst Worte des Bedauerns.
„Falscher Polizist bei Überfall von richtiger Polizei erschossen“ - eine Schlagzeile, die vor ein paar Wochen die Arbeit der Exekutive ins mediale Rampenlicht rückte. Die Frage „wer ist Schuld am Tod des Mannes“ wurde vielfach gestellt? Aber soll dieser tragische Vorfall auf die Schuldfrage reduziert werden? Sollte nicht der dahinter liegende Behördenapparat einmal genauer hinterfragt und mögliche Systemfehler analysiert werden?
Es wäre meiner Meinung nach falsch, als Außenstehender in dieser konkreten Causa ein Urteil abzugeben. Hier ist jetzt die Justiz am Zug – unabhängige Gerichte haben darüber zu entscheiden. Das Vorgreifen in ein laufendes Verfahren lehne ich ab!
Leitbildprozess auf Eis gelegt
Sehr wohl ist es aber angebracht, derzeitige Entwicklungen in der Polizei aufzuzeigen. Noch vor der Jahrtausendwende wurde der vielversprechende, in der Geschichte der österreichischen Exekutive einzigartiger Leitbildprozess unter dem Titel „Polizei 2000“ ins Leben gerufen. Schlagworte wie „der Mensch im Mittelpunkt - Sicherheit und Hilfe“ sowie „Mitarbeiter führen durch Überzeugung“ fanden sich darin. Vom Streifenpolizisten bis zum Polizeidirektor waren Hunderte Mitarbeiter involviert – gemeinsam wurde mit viel Engagement an einem innovativen und zukunftstauglichen Leitbild gearbeitet.
Nach dem Regierungswechsel wurde der Leitbildprozess auf Eis gelegt. Eine neue „Philosophie“ kehrte ein: Die Grundausbildung wurde verkürzt, die notwendige, berufsbegleitendende Fortbildung eingeschränkt, es gibt weniger Aufstiegsmöglichkeiten und dadurch vermehrten Konkurrenzkampf. Zudem hat die Anzahl der Exekutivbeamten in den vergangenen Jahren deutlich abgenommen. Ein Hauptmanko ist, dass Beamte auf Stresssituationen kaum vorbereitet werden. In Bruchteil von Sekunden müssen weitreichende Entscheidungen gefällt werden. Ohne regelmäßiger Übung ein fast unmögliches Unterfangen.
Kein Wort des Bedauerns
Kurz gesagt, der Arbeitsdruck auf den einzelnen Beamten hat massiv zugenommen. Mit Bedauern muss ich feststellen: Vieles was in dem vielversprechenden Leitbild von einst stand, ist nie umgesetzt worden. Im Gegenteil: Zukunftsweisende Ideen wurden zur reinen Makulatur. Der Mensch steht schon lange nicht mehr im Mittelpunkt. Doch gerade in einer Zeit, die vor enormen gesellschaftspolitischen Herausforderungen steht, bedarf es einer klar kommunizierten Wertehaltung und einer Ausbildung, die auf die vielfältigen Problemlagen eingeht. Und Menschen, die diese notwendige Grundhaltung auch vorleben.
Ich frage mich nur, welche Zeichen werden jetzt gesetzt, wenn nach so einem Vorfall aus dem Innenressort kein Wort des Bedauerns zu hören ist.
Zur Person:
Franz Schnabl war bis zum Jahr 2000 General der Wiener Sicherheitswache und wurde nach dem nationalkonservativen Regierungswechsel seines Postens enthoben. Dass Schnabl in einem Interview erzählt hatte, er bringe seine Tochter zu Demonstrationen gegen Schwarz-Blau, hatte offiziell nichts mit Schnabls Abbestellung zu tun. Im Jahr 2002 trat der ehemals oberste Polizist Wiens als Sicherheitschef bei Magna International Europe an. Seit dem Jahr 2004 ist er Präsident des Arbeiter-Samariter-Bundes Österreichs.