Gegen die Wand
Die Stadt Wien lässt Menschenrechts-NGOs bei ihren Finanzansuchen einfach anrennen. Ist das Rathaus an einem kritischen Milieu überhaupt noch interessiert? Die Antwort der Wiener Parteigranden fällt erstaunlich deutlich aus. Text: Eva Bachinger, Bild: Bernhard Kummer
„Dafür sind wir nicht zuständig. Wenden Sie sich bitte an das Büro von….:“ Das teilt die Stadt Wien nicht nur Sozialvereinen, sondern mitunter auch JournalistInnen mit. Eine unangenehme Interview-Anfrage zur Finanzierungspolitik für NGOs reicht anscheinend, um von Bürgermeister Michael Häupl zur Vizebürgermeisterin Renate Brauner, von dort zu den zuständigen Stadträtinnen Sonja Wehsely und Sandra Frauenberger und schließlich zu deren Mitarbeiterin verwiesen zu werden.
Was neben der Gesprächsverweigerung bleibt? Die indirekte Bestätigung dessen, was man bereits vermutet hat: Ein kritisches Milieu links von der eigenen politischen Arbeit will das Wiener Rathaus offenbar nicht dulden. So mancher NGO wird von Wien sukzessive der Geldhahn abgedreht. Aber der Reihe nach. Bei Frauenberger angelangt, will ihr Büro immerhin Fragen von der Chefin der MA 17, Ursula Struppe, beantworten lassen.
Nach Protest wird zwar eine Beantwortung durch Frauenberger per Email versprochen, Fragen, die konkret Förderungen betreffen, würden jedoch von Struppe beantwortet. Schließlich gibt es keine Statements von der Stadträtin, sondern eine schriftliche Stellungnahme, die – wenn schon jemandem – nur der MA 17-Leiterin in den Mund gelegt werden darf. Für ein Interview sei es zu kurzfristig gewesen, argumentiert die Sprecherin. Erstaunlich, vom 15. bis 21. Mai war es auch der Stadträtin nicht möglich, zumindest per Email zu antworten. Nach einer Fristverlängerung von einer ganzen weiteren Woche heißt es dann: die schriftliche Stellungnahme können Sie in ein Interview mit Frauenberger umwandeln. Mit einer Beantwortung der Fragen hat das aber wenig zu tun.
Gute Ratschläge
Vereinen wie „asylkoordination“ oder „Ehe ohne Grenzen“ kommt so ein Hin und Her bekannt vor. Mit der Gründung des Fonds Soziales Wien – dotiert mit 500 Millionen Euro – hat Wien soziale Tätigkeiten stark an sich gezogen. Über den FSW wird u.a. die Grundversorgung für AsylwerberInnen finanziert. Vereine, die etwa rechtliche Beratung für Flüchtlinge anbieten, können bei der MA 17 um Geld ansuchen. So mancher Verein sitzt jedoch zwischen den Stühlen. Die Stadt ließ der asylkoordination ausrichten, sie solle sich neue Projekte überlegen, die den Förderrichtlinien besser entsprechen.
„Seit Auflösung des Wiener Integrationsfonds (im Jahr 2004, Anm.) haben wir erhebliche Schwierigkeiten.“, berichtet Anny Knapp von der asylkoordination. Für anerkannte Projekte wie „Schule ohne Rassismus“ habe man 7.000 Euro jährlich bekommen. Doch nun scheint dafür kein Platz mehr zu sein. Die Stadt ließ der asylkoordination ausrichten, sie solle sich neue Projekte überlegen, die den Förderrichtlinien besser entsprechen. Knapp: „Es ist ein Ping-Pong-Spiel, man wird von einer Stelle zur nächsten verwiesen und kommt nicht wirklich voran.“ Über dem Jahr 2008 schwebt jetzt noch ein großes finanzielles Fragezeichen.
Die Initiative „Ehe ohne Grenzen“, die sich aufgrund der Verschärfungen für binationale Paare im Fremdengesetz 2006 formiert hat, läuft bei der Stadt schon länger gegen eine Wand. „Wir sind verzweifelt, denn mit Ende Mai geht uns das Geld aus.“, klagt die Obfrau Angela Magenheimer. Der Verein hat sich bisher mit Spenden über Wasser gehalten. Ein Förderansuchen wurde glatt abgelehnt – mit der Begründung, dass es bereits andere, in diesem Bereich erfolgreiche Organisationen gebe. Tatsächlich ist es aber für Magenheimer so, dass etwa eine Initiative wie „Orient Express“ KlientInnen an „Ehe ohne Grenzen“ weiterleitet. Verständlich, Magenheimers Gruppe bietet nicht nur Beratung, sondern den Betroffenen auch einen hohen Grad an Vernetzung. Zudem berichtet sie von mühsamen Kontakten mit der Stadt. „Einmal war die Zuständige nicht auf ihrem Platz, dann wieder auf Urlaub und dann im Krankenstand.“ Stadträtin Frauenberger habe sich auf die Bitte um ein Gespräch nie zurückgemeldet.
Politik für die Bühne
„Zum Glück sind wir vom Staat unabhängig.“, kann Michael Genner von „Asyl in Not“ dem Fehlen von staatlicher Unterstützung Positives abgewinnen. Es ist lange her, dass das Innenministerium und AMS den Verein unterstützt haben. Seit 1996 finanziert sich die Flüchtlingsinitiative durch eine jährliche Kunstauktion und Spenden. Die Stadt Wien hat sich ebenfalls sukzessive zurückgezogen: Der Integrationsfonds förderte pro Jahr mit 180.000 Schilling. 2005 zahlte die MA 17 noch 5.000 Euro. Seit 2006 erhält „Asyl in Not“ nichts mehr.
Auch namhafte Vereine plagen sich mit Finanzproblemen jahrein, jahraus: Beim schicken Benefiz-Clubbing „Zaramonie“ im Palais Auersperg sonnen sich StadtpolitikerInnen auf der Bühne und loben den Verein ZARA – Zivilcourage und Anti-Rassismus-Arbeit. Die Organisation erhält seit 2000 rund 45.000 Euro pro Jahr. Doch: „Die finanzielle Absicherung reicht bei weitem nicht für die Arbeit aus, die ZARA leisten muss. Unser großes Sorgenkind ist die Beratungsstelle“, erklärt Geschäftsführerin Barbara Liegl, allerdings in erster Linie an den Bund gerichtet, denn ohne Stadt Wien würde es den Verein gar nicht mehr geben. Die Beratungsstelle brauche mehr Personal als nur eine Vollzeit- und eine Halbtagsstelle. Von Seiten der Stadt wird argumentiert, dass die Förderung ohnehin hoch sei und man den Bund nicht aus der Verantwortung lassen wolle.
Dieses Argument lässt Anny Knapp von der asylkoordination nicht gelten. „Die Leute leben jahrelang in Wien. Da braucht es mehr als Essen und ein Bett“. Auch das Integrationshaus mit Zugpferd Willi Resetarits, das den jährlichen Flüchtlingsball im Wiener Rathaus abhalten darf, muss große Summen über private SpenderInnen aufbringen. Im Bereich der Unterbringung der unbegleiteten minderjährigen Flüchtlinge gebe es „massive Probleme“, berichtet Geschäftsführerin Andrea Eraslan-Weninger. Trotz eines Urteils des Obersten Gerichtshofes sehe die Stadt keine Veranlassung, für diese Gruppe über die Grundversorgung hinaus entsprechende Jugendwohlfahrtsleistungen zu erbringen. Auch rechtliche Beratung wird ausschließlich durch Spenden finanziert – und das, obwohl auch hier die EU-Aufnahmerichtlinie staatliche Unterstützung vorschreibt.
Andere Sicht der Dinge
Die Stadt hat freilich eine andere Sicht der Dinge: Man tue sehr viel, unterstütze viele NGOs. Ja, mehr noch: Die Stadt Wien sei gerade nach der schwarz-blauen Wende eingesprungen, als der Bund viele Zuwendungen vom Bund gestrichen hatte. Schließlich ermögliche die Einbindung des Integrationsbereichs in die Stadt eine ständige BeamtInnenschaft, die mit sozialrechtlicher Absicherung unter ganz anderen Qualitätskriterien arbeiten und mehr Fortbildung ermöglichen könne als MitarbeiterInnen von unabhängigen NGOs. Der Politologe Emmerich Talos hält allerdings genau den gegenteiligen Zustand für den idealeren. Die Stadt solle soziale Aufgaben vor allem an NGOs delegieren. „Das entspricht keiner Routineverwaltung, denn NGOs verrichten ihre Arbeit zumeist sachkundiger und engagierter als die öffentliche Verwaltung.“ Eine Auslagerung müsse aber mit einer finanziellen Verpflichtung der öffentlichen Hand gekoppelt sein. Da es keine klare Regelung zwischen Bund und Ländern gibt, wer für die Unterstützung von Integrationsvereinen aufkommt, gebe es dieses „Ping-Pong-Spiel“, so Talos. Er schlägt vor, dass sich die Stadt Wien für eine klare Aufteilung der finanziellen Aufgaben wie bei der Grundversorgung stark macht.
Aus der Wiener SPÖ hört man indes, die Stadt werde keine NGO sehenden Auges verbluten lassen – sofern deren „Ergebnisse“ stimmen. Gerade transparente Förderabrechnungen seien bei so manchem Verein immer wieder ein Problem, gibt man sich um die SteuerzahlerInnen besorgt. Für Stadträtin Frauenberger sei die Arbeit von NGOs, das lässt das Rathaus ausrichten, ein wichtiges Anliegen. Man müsse aber auch bedenken, dass in Österreich nach wie vor keine moderne Auffassung zu Zivilgesellschaft und Integration herrsche. Und für eine Zivilgesellschaft brauche man eben nicht nur Geld, sondern auch eine offene Gesellschaft.